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Furor

Furor

Titel: Furor
Autoren: Markus C. Schulte von Drach
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Instituts kam herüber, das Gesicht bleich wie der Tod. Eine junge Sanitäterin führte sie am Arm. Vom Fahrstuhl her wehte schwach ein süßlich-metallischer Geruch. Mehrere Polizisten standen gelangweilt neben einer Krankentrage.
    Als Sebastian sich an der Menge vor dem Lift vorbeidrückte, sah er zwei Männer in orangefarbenen Overalls auf dem Dach des Fahrstuhls stehen. Ein dritter in weißem Kittel beugte sichüber den leblosen Körper in einer großen Blutlache. Der Mann im weißen Kittel trug darunter einen Anzug. Als er sich umdrehte und sein Blick auf die Schaulustigen fiel, fluchte er laut.
    »Schafft doch die Leute hier weg«, fuhr er die Polizisten an. Sofort drängten die Uniformierten die Zuschauer zur Seite. Sebastian fand sich in einer Gruppe von Leuten wieder, die aufgeregt miteinander schwatzten. Er versuchte etwas herauszuhören, doch niemand schien etwas zu wissen. Dann wurde ihm klar, dass er gerade zum Gaffer geworden war. Fluchend machte er sich auf den Weg in die Cafeteria.
    Er hatte kaum an seinem Kaffee genippt, als der Pförtner mit einem Polizisten eintrat, sich umblickte und dann auf seinen Tisch zeigte. Der Polizist kam direkt auf ihn zu.
    »Sebastian Raabe? Kommen Sie bitte mit.« Es klang wie ein Befehl. Überrascht stand Sebastian auf und folgte dem Polizisten, der im Eiltempo wieder in Richtung Fahrstuhl marschierte. Unterwegs stießen sie auf die Sanitäter mit der Krankentrage. Unter der Decke, die darüber lag, zeichnete sich ein Körper ab. Ein älterer Mann lief neben ihnen her. Sebastian erkannte ihn an seinem grauen Anzug wieder. Er hatte nur den weißen Kittel abgelegt. Der Polizist stellte sie knapp vor.
    »Kommissar Krug, das ist Sebastian Raabe.«
    Der Kommissar zog Sebastian schroff am Arm zu sich heran, während sie den Sanitätern mit der Trage folgten. Stolpernd passte sich Sebastian ihrem Tempo an.
    »Wir brauchen Ihre Hilfe.« Krug vermied es, ihn anzusehen.
    Sie verließen das Gebäude durch den Haupteingang. Als sie den Krankenwagen erreicht hatten, hinderte der Kriminalbeamte die Sanitäter daran, die Trage in den Wagen zu hieven. Dann wandte er sich wieder an Sebastian.
    »Könnte sein, dass wir schlimme Nachrichten für Sie haben. Wann haben Sie Ihren Vater zum letzten Mal gesehen?«
    »Gestern Nachmittag. Wieso?«
    »Wir vermuten, dass dies hier Ihr Vater ist.« Krug zeigte auf die Trage. »Sieht so aus, als hätte er versucht, sich das Leben zu nehmen.«
    Sebastian hörte jedes einzelne der Worte genau. Aber er war nicht in der Lage, ihre Bedeutung zu begreifen.
    Er starrte auf einen unförmigen, von Verbänden bedeckten Kopf. Das Gesicht verschwand fast vollständig unter einer Sauerstoffmaske. Etwas an der Schädelform stimmte nicht.
    Das war bloß ein Körper auf einer Trage, nichts weiter als irgendein Körper auf einer blöden Trage, dachte er. Was hatte der mit seinem Vater zu tun?
    »Wir hoffen, dass Sie ihn identifizieren können«, erklärte der Polizist.
    Identifizieren? Langsam dämmerte ihm, worum es hier ging.
    Krug hob die Decke etwas an, so dass der rechte Arm des Verletzten zu sehen war. Die Hand war weiß, bleich, blutleer. Da war der Ring, die Narbe am Handgelenk, der halbmondförmige Leberfleck. Sebastian spürte, wie ihm schwindelig wurde. Der Boden unter seinen Füßen wurde weich, er versank bis zu den Knien im Asphalt. Einer der Sanitäter kam gerade noch rechtzeitig, bevor Sebastian fiel.
    »Können Sie uns etwas darüber sagen, warum Ihr Vater versucht haben könnte, sich umzubringen? Hatte er Sorgen? Geldprobleme?«
    Sebastian schüttelte den Kopf. Hatte er diese Frage nicht gerade zum dritten Mal gestellt bekommen? Und wie hieß dieser Polizist noch mal?
    »War er depressiv?«
    Diese Frage war neu. Krug, Kommissar Krug, erinnerte sich Sebastian. So hieß der Polizist, der ihm gegenübersaß und ihmFragen stellte, als ob sein Vater tot wäre. Bisher hatte sich niemand die Mühe gemacht, ihm irgendetwas zu erklären. Hirntot, hatte einer der Sanitäter gesagt, bevor der Krankenwagen abgefahren war. Er selbst hatte sich zu Krug in einen Polizeiwagen gesetzt, und jetzt waren sie hier, im Polizeipräsidium nahe der Liebfrauenkirche.
    »Hat Ihr Vater getrunken?« Der Kriminalbeamte klang fast mürrisch.
    »Natürlich, ab und zu«, antwortete Sebastian »Aber er hat nicht gesoffen, wenn Sie das meinen«, fügte er irritiert hinzu.
    Krug nickte nur und schwieg. Keine Spur von Anteilnahme oder Mitleid. Eher wirkte er, als würde er auf etwas
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