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Funke, Cornelia

Funke, Cornelia

Titel: Funke, Cornelia
Autoren: Rekkless
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bekam ihn gerade noch zu fassen, bevor er ihm
das Medaillon vom Hals riss, das er trug. An jedem anderen Tag wäre er dem
kleinen Dieb auf der Stelle gefolgt. Däumlinge horteten beachtliche Schätze in
den hohlen Bäumen, in denen sie hausten. Doch er hatte schon viel zu viel Zeit
verloren.
    Ein Fehler, Jacob.
    Er würde
ihn wiedergutmachen. Aber Fuchs' Worte folgten ihm, während er den steilen Hang
hinunterstieg.
    Es kann ihm niemand mehr helfen.
    Wenn sie
recht hatte, würde er schon bald keinen Bruder mehr haben. Weder in dieser noch
in der anderen Welt.
    Ein Fehler.
     
    3
     
    GOYL
     
    D as Feld, über das Hentzau mit seinen Soldaten ritt, roch
immer noch nach Blut. Der Regen hatte die Gräben mit schlammigem Wasser
gefüllt, und hinter den Mauern, die beide Seiten zur Deckung errichtet
hatten, war der Boden bedeckt mit herrenlosen Flinten und zerschossenen Helmen.
Kami'en hatte die Pferde- und Menschenleichen verbrennen lassen, bevor sie zu
verwesen begannen, aber die gefallenen Goyl lagen noch dort, wo sie gestorben
waren. Schon in wenigen Tagen würden sie nicht mehr von den Steinen zu
unterscheiden sein, die aus der zertretenen Erde ragten, und die Köpfe derer,
die in vorderster Linie gekämpft hatten, waren, wie es Goylsitte war, in die
Hauptfestung gebracht worden.
    Noch eine
Schlacht. Hentzau war sie leid, aber diese würde hoffentlich für eine Weile die
letzte gewesen sein. Die Kaiserin war endlich bereit zu verhandeln und selbst
Kami'en wollte Frieden. Hentzau presste sich die Hand vors Gesicht, als der
Wind Asche von der Anhöhe herabwehte, auf der sie die Leichen verbrannt hatten.
Sechs Jahre über der Erde, sechs Jahre ohne schützenden Fels zwischen ihm und
der Sonne. Die Augen schmerzten ihm von all dem Tageslicht, und die Luft wurde
mit jedem Tag kälter und machte seine Haut spröde wie Muschelkalk. Hentzaus
Haut glich braunem Jaspis. Nicht die feinste Farbe, die ein Goyl haben konnte.
Er war der erste Jaspisgoyl, der je in die obersten Militärränge aufgestiegen
war, aber die Goyl hatten vor Kami'en auch noch nie einen König gehabt, und
Hentzau gefiel seine Haut. Jaspis war eine wesentlich bessere Tarnfarbe als
Onyx oder Mondstein.
    Kami'en
hatte unweit des Schlachtfelds Quartier bezogen, im Jagdschloss eines
kaiserlichen Generals, der, wie die meisten seiner Offiziere, gefallen war.
Die Wachen vor dem zerstörten Tor salutierten, als Hentzau auf sie zuritt. Den
Bluthund des Königs nannten sie ihn, seinen Jaspisschatten. Hentzau diente
Kami'en schon, seit sie gemeinsam die anderen Anführer bekämpft hatten. Zwei
Jahre hatten sie gebraucht, um sie alle zu töten, aber danach hatten die Goyl
zum ersten Mal einen König gehabt.
    Die
Straße, die vom Tor zum Schloss hinaufführte, war gesäumt von marmorweißen
Statuen, und während Hentzau an ihnen vorbeiritt, amüsierte er sich nicht zum
ersten Mal darüber, dass Menschen ihre Götter und Helden durch Abbilder aus
Stein verewigten, während sie seinesgleichen für ihre Haut verabscheuten.
Selbst die Weichhäute mussten es zugeben. Stein war das Einzige, was blieb.
    Die
Fenster des Schlosses waren zugemauert, wie die Goyl es bei allen Gebäuden
taten, die sie besetzten, doch erst auf der Treppe, die in die Vorratskeller
hinabführte, umgab Hentzau endlich die wohltuende Dunkelheit, die man unter
der Erde fand. Nur wenige Gaslampen erleuchteten die Gewölbe, die nun statt
Vorräten und verstaubten Jagdtrophäen den Generalstab des Königs der Goyl
beherbergten.
    Kami'en.
Sein Name bedeutete in ihrer Sprache nichts anderes als Stein. Sein Vater
hatte eine der untersten Städte befehligt, aber Väter zählten bei ihnen nicht
viel. Die Mütter zogen sie auf, und mit neun war ein Goyl erwachsen und auf
sich gestellt. Die meisten erkundeten danach die Untere Welt auf der Suche
nach unentdeckten Höhlen, bis selbst steinerne Haut die Hitze dort nicht länger
ertrug. Doch Kami'en hatte immer nur die Obere Welt interessiert. Er hatte
lange in einer der Höhlenstädte gelebt, die sie über der Oberfläche gebaut
hatten, weil es in den unteren Städten zu voll wurde, und dort zwei Menschenangriffe
überlebt. Danach hatte er begonnen, ihre Waffen und Kriegstechniken zu
studieren, und sich in ihre Städte und Militärlager geschlichen. Mit neunzehn
hatte er ihre erste Stadt erobert.
    Als die
Leibwachen Hentzau hereinwinkten, stand Kami'en vor der Karte, die seine
Eroberungen und die Positionen seiner Gegner zeigte. Die Figuren, die ihre
Truppen
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