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Funke, Cornelia

Funke, Cornelia

Titel: Funke, Cornelia
Autoren: Rekkless
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sterbliches, steinernes
Spielzeug. Aber Kami'en liebte sie, mehr als die beiden Goylfrauen, die ihm
drei Töchter und einen Sohn geschenkt hatten.
    Weil sie
ihn verhext hat!, flüsterte es in Hentzau. Doch er beugte den Kopf und legte
die Faust ans Herz. »Was immer Ihr befehlt.«
    »Ich habe
ihn im Schwarzen Wald gesehen.« Selbst ihre Stimme klang nach Wasser.
    »Der ist
sechzig Quadratmeilen groß!«
    Die Fee
lächelte, und Hentzau spürte, wie Hass und Furcht ihm das Herz erstickten.
    Ohne ein
Wort löste sie die Perlenspangen, mit denen sie ihr Haar hochsteckte wie eine
Menschenfrau, und fuhr mit der Hand hindurch. Schwarze Motten flatterten ihr
zwischen den Fingern hervor, mit blassen Flecken auf den Flügeln, die aussahen
wie Schädel. Die Wachen öffneten hastig die Türen, als sie auf sie zuschwärmten,
und auch Hentzaus Soldaten, die draußen auf dem dunklen Korridor warteten,
wichen zurück, als die Motten an ihnen vorbeiflogen. Sie alle wussten, dass
ihre Stiche selbst durch Goylhaut drangen.
    Die Fee
aber steckte sich die Spangen zurück ins Haar.
    »Wenn sie
ihn gefunden haben«, sagte sie, ohne Hentzau anzusehen, »werden sie zu dir
kommen. Und du bringst ihn sofort zu mir.«
    Seine
Männer starrten sie durch die offene Tür an, aber sie senkten hastig die Köpfe,
als Hentzau sich umwandte. Fee.
    Verflucht
sollte sie sein, sie und die Nacht, in der sie plötzlich zwischen ihren Zelten
gestanden hatte. Die dritte Schlacht, der dritte Sieg. Und sie war auf das Zelt
des Königs zugegangen, als hätte das Stöhnen der Verwundeten sie geboren und
der weiße Mond, der über den Toten stand. Hentzau war ihr in den Weg getreten,
aber sie war einfach durch ihn hindurchgegangen, wie Wasser durch porösen Stein
- als gehörte auch er schon zu den Toten -, und hatte seinem König das Herz
gestohlen, um sich die eigene herzlose Brust damit zu füllen.
    Selbst
Hentzau musste zugeben, dass die besten Waffen nicht halb so viel Schrecken
verbreiteten wie ihr Fluch, der das weiche Fleisch ihrer Gegner in Stein
verwandelte. Aber er war sicher, dass sie den Krieg auch ohne sie gewonnen
hätten und dass der Sieg so viel besser geschmeckt hätte.
    »Ich werde
den Jadegoyl auch ohne Eure Motten finden«, sagte er. »Falls er tatsächlich
mehr ist als ein Traum.«
    Sie
antwortete ihm nur mit einem Lächeln. Es folgte ihm bis hinauf ins Tageslicht,
das ihm die Augen trübte und die Haut springen ließ.
    Verflucht
sollte sie sein.
     
    4
     
    AUF DER
ANDEREN SEITE
     
    Wills
Stimme hatte so anders geklungen. Clara hatte sie kaum erkannt. Erst all die
Wochen ohne ein Lebenszeichen von ihm und dann dieser Fremde am Telefon, der
nicht wirklich sagte, warum er anrief.
    Die
Straßen schienen noch voller als sonst und der Weg endlos lang, bis sie endlich
vor dem alten Apartmenthaus stand, in dem er und sein Bruder aufgewachsen
waren. Von der grauen Fassade starrten Gesichter aus Stein, die verzerrten Züge
zerfressen von Abgasen. Clara blickte unwillkürlich zu ihnen hinauf, als der
Portier ihr die Tür aufhielt. Sie trug immer noch den blassgrünen
Krankenhauskittel unter dem Mantel. Sie hatte sich nicht die Zeit genommen,
sich umzuziehen, sondern war einfach losgelaufen. Will.
    Er hatte
so verloren geklungen. Wie ein Ertrinkender. Oder jemand, der sich
verabschiedet.
    Clara zog
das Gitter des alten Aufzugs hinter sich zu. Sie hatte den Kittel auch
getragen, als sie Will zum ersten Mal begegnet war, vor dem Zimmer, in dem
seine Mutter gelegen hatte. Sie arbeitete oft an den Wochenenden im
Krankenhaus, nicht nur, weil sie das Geld brauchte. Fachbücher und
Universitäten ließen allzu oft vergessen, dass Fleisch und Blut sehr wirkliche
Dinge waren.
    Siebter
Stock.
    Das kupferne
Namensschild neben der Tür war so angelaufen, dass Clara unwillkürlich mit dem
Ärmel darüberwischte.
    RECKLESS.
    Will
machte sich oft lustig darüber, wie wenig der Name zu ihm passte.
    Hinter der
Wohnungstür stapelte sich die ungeöffnete Post, aber im Flur brannte Licht.
    »Will?«
    Sie
öffnete die Tür zu seinem Zimmer. Nichts.
    In der
Küche war er auch nicht.
    Die
Wohnung sah aus, als wäre seit Wochen niemand zu Hause gewesen. Aber Will hatte
gesagt, dass er von dort anrief. Wo war er?
    Clara ging
vorbei an dem leeren Zimmer seiner Mutter und an dem seines Bruders, den sie
noch nie zu Gesicht bekommen hatte. »Jacob ist
verreist.« Jacob war immer verreist. Manchmal war sie nicht sicher,
ob es ihn überhaupt gab. Sie blieb stehen.
    Die Tür
zum
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