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Fuerchte nicht das tiefe blaue Meer

Fuerchte nicht das tiefe blaue Meer

Titel: Fuerchte nicht das tiefe blaue Meer
Autoren: April Genevieve Tucholke
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noch gesessen hatte. Als River Sunshine dort ablegte, schlug sie die Augen auf.
    »Ich habe ihn gesehen, Violet«, sagte sie, die braunen Augen fest auf mich gerichtet. Ihr Blick war gehetzt und starr vor Angst. »Ich habe Blue gesehen.«

Fünftes Kapitel
    Wir gingen nicht mehr einkaufen.
    Sunshine wollte nach Hause, also begleitete ich sie. Die beiden Jungs kehrten ins Gästehaus zurück. Luke war der Meinung, wir sollten die Polizei rufen, aber ich bat ihn, damit zu warten, bis ich in Ruhe mit Sunshine gesprochen hatte. Normalerweise hörte mein Bruder nicht auf mich, aber dieses Mal hatte er keine Einwände.
    Zu Hause legte Sunshine sich im Wohnzimmer auf die Couch, trank Eistee und schwieg. Ich beobachtete einen Sonnenstrahl, der über die Holzdielen wanderte, und wartete ab.
    Das Haus der Blacks war winzig – besonders im Vergleich zu unserem. Citizen Kane war ein verwinkeltes, undurchdringliches Labyrinth aus Fluren, Erkern, Treppen, Gästezimmern, bodentiefen Fenstern, maroden Emporen, vergessenen Wandschränken und feuchtkalten Kellerverließen. Sunshines kleines Haus dagegen war gemütlich und überschaubar. Jede Ecke wirkte bewohnt und überall lagen Bücher herum. Ich fühlte mich dort immer sehr wohl.
    Zwei Gläser Eistee später sah Sunshine mich schließlich an. »Es gibt ihn wirklich, Violet.«
    »Blue?«
    »Ja.« Sie hielt einen Moment inne, bevor sie weitersprach. »Es war seltsam. River und ich waren noch gar nicht so weit in den Tunnel hineingelaufen, als wir ihn sahen. River hatte ein Feuerzeug dabei – so ein goldenes zum Wiederauffüllen, weißt du, was für eines ich meine?«
    Ich nickte. Ich fand immer, dass diese Feuerzeuge aussahen, als wären sie jemandem wie Jack Kerouac unterwegs aus der Tasche gefallen. In Citizen Kane lagen auch noch ein paar von den alten Dingern herum.
    Sunshine wischte über ihr von den Eiswürfeln beschlagenes Glas und drückte es sich anschließend an die Stirn. Sie war blass. »River hat das Feuerzeug in die Höhe gehalten, damit wir etwas sehen konnten, aber es war trotzdem noch dunkel. Ich meine, so richtig dunkel. Das einzige Geräusch, das ich gehört habe, waren unsere Schritte, die von den Wänden widerhallten. Die Luft wurde immer kälter und feuchter, und ich dachte, dass River bestimmt gleich stehen bleiben und mich küssen würde. Ich kicherte die ganze Zeit und er hatte eine Hand auf meinen Arm gelegt. Irgendwann blieb er dann stehen und drehte mich am Ellbogen zu sich herum. Ich habe mir mit der Zunge über die Lippen geleckt, weil ich dachte, ich wüsste, was jetzt kommen würde.«
    Sunshine zitterte. Sie saß in der Sonne, die durchs Fenster fiel, und es war warm, fast heiß, aber sie zitterte.
    »Ich glaube, mir wird schlecht«, sagte sie.
    Ich fischte einen Eiswürfel aus meinem Glas, kniete mich neben sie und drückte ihn ihr an die Schläfe. »Hier, Sunshine. Alles ist gut. Erzähl mir, was du gesehen hast, als River dich umgedreht hat.«
    Sunshine blinzelte. Das geschmolzene Eiswasser lief an ihrer Wange hinunter und tropfte auf die Couch, wo es dunkle Flecken hinterließ. »Ich habe mich umgedreht und da sah ich einen Mann am Boden kauern. Ich habe ihn so deutlich gesehen, als ob es helllichter Tag gewesen wäre. Seine Augen waren riesig und milchig-blau. Er lächelte mich mit diesen kleinen spitzen Zähnen an, die irgendwie pelzig aussahen, so als hätte er gerade auf etwas mit Fell herumgekaut.« Sunshines Stimme wurde lauter und drängender. Sie setzte sich auf und schlang die Arme um die Knie. »Ich fing an zu schreien. Und plötzlich habe ich noch etwas anderes gesehen und noch lauter geschrien. Violet! Zu Blues Füßen lag ein kleiner Junge … vielleicht war es auch ein Mädchen, jedenfalls ein Kind … das schrecklich bleiche Haut hatte. Und lange, spitze Ohren. Und dieselben pelzigen Zähne wie er. Und jedes Mal, wenn ich an dieses … Wesen denke, an dieses bleiche Kind mit den pelzigen Zähnen, dann …«
    Sunshine presste sich eine Hand auf den Mund, sprang auf und rannte ins Badezimmer.
    Ich rief in der Bücherei an und bat ihre Eltern, nach Hause zu kommen.
    Cassandra und Sam Black waren ganz anders als ihre Tochter. Sie waren dünn. Und zwar dünn wie schlaksige Sechzehnjährige, nicht wie Erwachsene, die zu viel Sport machen oder Hungerdiäten. Cassie steckte ihre schwarzen Haare immer zu einem Dutt zusammen wie eine Ballettlehrerin. Sie trug eine dicke runde Brille wie der Schriftsteller Aldous Huxley und am liebsten graue
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