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Fuerchte nicht das tiefe blaue Meer

Fuerchte nicht das tiefe blaue Meer

Titel: Fuerchte nicht das tiefe blaue Meer
Autoren: April Genevieve Tucholke
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ihnen wehtun, wenn du nicht gehorchst, und es wird ihm so leicht fallen wie Atmen …
    Brodie verstärkte den Druck auf das Messer, sodass es das Unterhemd und meine Haut durchschnitt. Es war kein tiefer Schnitt und anfangs blutete er kaum. Trotzdem kniff ich die Augen zusammen. Ich durfte nicht ohnmächtig werden. Das Blut rauschte in meinen Ohren, sodass ich nicht hören konnte, ob das Wasser im Kessel schon brodelte. Ich lauschte angestrengt. Nichts. Noch nicht. Wie lange dauerte es, bis Wasser kochte? Was konnte Brodie in dieser Zeit alles mit mir anstellen?
    » Ja. Oh … ja. «
    Ich machte die Augen wieder auf.
    Brodie hatte den Mund leicht geöffnet und sein Atem ging schneller. Er starrte auf die Wunde auf meinem Bauch, aus der jetzt kleine rote Blutströpfchen quollen …
    Halte durch, Vi. Es kann nicht mehr lange dauern, bis das Wasser kocht, und dann hört er auf. Er will nur seinen Spaß haben. Er langweilt sich doch so schnell. Nicht bewusstlos werden, Vi. Sonst wird er böse. Halt einfach durch. Nein, das ist nicht das Pfeifen des Wasserkessels. Es ist das Blut in deinen Ohren. Halte durch, halte durch …
    »Sag mir, dass du mich liebst, Sophie«, flüsterte Brodie, und in seinen grünen Augen glitzerten Tränen … und der Wahnsinn. »Sag mir, dass du mich liebst.«
    »Ich liebe dich«, sagte ich, aber ich weinte dabei und die Tränen rannen mir in den Mund, sodass die Worte genau wie das Gegenteil klangen.
    Brodie packte meinen linken Arm, hielt ihn von meinem Körper weg und schmiegte sich dann so fest und immer fester an mich, dass ich kaum noch Luft bekam und Blut aus der Wunde gepresst wurde und an meinem Bauch herablief. »Ich werde dich wohl wieder das Messer spüren lassen müssen. Und zwar so richtig. Du weißt, was das heißt, nicht wahr, meine süße Sophie? Hast du gehört, River? Ich werde ihr wehtun und du kannst nichts dagegen unternehmen. Noch nicht. Aber ich werde es dir beibringen. Ich werde dich den Wahnsinn lehren und wie man anderen Schmerz zufügt. Und ich werde dich lehren, dabei Lust zu empfinden. Das verspreche ich dir.«
    River drehte sich nicht um, sondern starrte auf den Kessel, als gäbe es auf der ganzen weiten Welt nichts, das wichtiger wäre.
    Wieder blitzte das Messer auf und dieses Mal drang seine Klinge tiefer in mich ein. Brodie fuhr damit erst über mein linkes und dann über mein rechtes Handgelenk.
    Blut quoll heiß aus meinen Adern, dickflüssig und trotzdem rasend schnell. Wie konnte es bloß in solchen Mengen so schnell aus mir herausfließen? Wieder sah ich schwarze Punkte und der Raum begann sich zu drehen …
    Doppelt plagt euch, mengt und mischt! Kessel brodelt, Feuer zischt. Ich hatte das Gefühl, den Verstand zu verlieren, versuchte verzweifelt den Kessel zu hören und nicht ohnmächtig zu werden, obwohl das Blut in Strömen floss und meinen Rock durchtränkte und schwarz färbte. So viel Blut. Wie konnte nur so viel Blut in mir sein?
    Meine Augen verdrehten sich in ihren Höhlen. Ich erhaschte einen flüchtigen Blick auf River, der immer noch reglos vor dem Herd stand, und hörte, wie das Wasser im Kessel zu sieden begann. Bald, bald …
    »Küss mich, Sophie.«
    Brodie beugte sich zu mir herunter und drückte seinen Mund auf meinen. Ich hätte ihn von mir gestoßen, wenn ich mich nicht auf einmal so schwach gefühlt hätte, so unendlich schwach …
    »Küss mich, Sophie.« Er schüttelte mich heftig. »Küss mich richtig . Oder ich töte deinen Bruder und lasse den kleinen rothaarigen Bastard sein eigenes Blut trinken.«
    Ich gehorchte, schlang meine blutenden Arme um ihn und legte meine Lippen auf seine. Alles in meinem Inneren zog sich vor Ekel zusammen. Bittere Galle stieg mir in der Kehle hoch. Aber nichts davon, nichts davon , erreichte meine Lippen. Ich küsste Brodie, als wäre ich die Wüste und er ein erfrischender Frühlingsregen. Als wäre ich sieben Jahre auf See gewesen und er das erste Land in Sicht.
    Ich küsste ihn, als wäre er River.
    Brodie schloss die Augen.
    Ich ließ mich wie ohnmächtig zu Boden sinken, tastete nach den öligen Glasscherben und schrie vor Schmerz und vor Freude, als sich meine Finger um ein spitzes Stück Glas schlossen und seine rasiermesserscharfen Kanten tief in meine Handfläche schnitten.
    Schreiend richtete ich mich wieder auf und rammte Brodie die Scherbe in den Brustkorb. Blut schoss aus der Wunde und strömte über sein Hemd. Er öffnete die Augen, blickte auf das Blut hinunter und lachte. Er lachte,
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