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Fuerchte nicht das tiefe blaue Meer

Fuerchte nicht das tiefe blaue Meer

Titel: Fuerchte nicht das tiefe blaue Meer
Autoren: April Genevieve Tucholke
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noch lebt.«
    »Er lebt«, sagte River.
    Ich schüttelte den Kopf. »Aber ich habe ihm doch die Scherbe in die Brust gerammt. Ich habe das viele Blut gesehen und gehört, wie er geschrien hat.« Es war nicht das erste Mal, dass ich das sagte. Tatsächlich hatte ich es schon so oft gesagt, dass es sich für mich selbst so anhörte, als würde ich ein Gebet herunterleiern.
    River erwiderte darauf nichts.
    »Er ist weggerannt«, sagte Jack. »Ich lag draußen im Kies, nachdem er mich mit seinem Messer getroffen hatte und konnte mich nicht bewegen, aber ich war wach und konnte ihn sehen. Er ist aus dem Gästehaus gestürzt und davongerannt.«
    Es war nicht so, als hätte ich das nicht gewusst. Wir hatten oft darüber gesprochen, und am Ende hatte Jack jedes Mal gesagt, dass er gesehen hatte, wie Brodie weggerannt war, und wir hatten alle gewusst, was das bedeutete. Brodie lebte, auch wenn er verschwunden war und keine Spuren hinterlassen hatte. Und wir hatten alles nach ihm abgesucht. Gründlich.
    Luke umarmte River wie Männer sich umarmen, cool und mit viel Schulterklopfen. Danach ging River in die Hocke und zog Jack an sich. Diesmal war die Umarmung nicht cool, sondern innig und ehrlich.
    »Na komm, Kleiner«, sagte Luke schließlich. »Ich gebe dir einen Kaffee aus. Und danach schauen wir uns ein bisschen in der Stadt um. Wer weiß, vielleicht haben die Kids im Park diesmal ja eine Horde Zombies oder so was in der Art gesehen. Wundern würde es mich nicht.«
    Jack grinste. Er löste sich von River und folgte Luke, ohne sich noch einmal umzudrehen, den Pfad nach Echo hinunter.
    Jetzt standen nur noch River, Neely und ich da.
    River lehnte sich gegen seinen Wagen und strich sich durch die Haare. »Als ich noch ein Kind war, hat unser Großvater mal etwas zu mir gesagt. Erinnerst du dich noch, wie ich bei ihm zu Besuch in den französischen Alpen war, Neely? Wir saßen nebeneinander und sahen zu, wie die Sonne hinter den Berggipfeln unterging. Er wurde damals schon langsam alt und lebte mehr in der Vergangenheit als in der Gegenwart. Meistens erzählte er von Freddie und von den Dingen, die sie erlebt haben, als sie noch jung waren. Aber diesmal war sein Blick hellwach, als er mich ansah. Du musst dich zügeln, hat er gesagt. Wenn du spürst, dass es außer Kontrolle gerät, musst du lernen, dich zu zügeln. Das ist die einzige Möglichkeit. «
    Einen Moment lang herrschte Stille, während wir über das nachdachten, was er gesagt hatte. Ich lauschte dem Rascheln der Blätter in den Bäumen und den gegen die Felsen brandenden Wellen. Ich lauschte meinem Herzen und hörte, wie es zerbrach und wieder zusammenwuchs und sich ausdehnte, weil es nicht länger klein, verschrumpelt und voller Sehnsucht war.
    »Wenn ich Brodie finden und zur Strecke bringen soll«, fuhr River schließlich fort, »muss ich mich für sehr, sehr lange Zeit zügeln und allein sein. Vollkommen allein. Sonst … sonst traue ich es mir nicht zu.«
    »Brodie hat gesagt, dass du lernen musst, deinen inneren Wahnsinn freizulassen, wenn du das Funkeln kontrollieren willst.« Ich griff nach Rivers Hand und drückte sie. »Was, wenn dein Grandpa sich geirrt hat? Was, wenn es nichts nützt, dich zu zügeln, und Brodie wird gleichzeitig stärker und immer stärker?«
    River zuckte mit den Achseln. »Ich muss es zumindest versuchen, Violet. Entweder höre ich damit auf oder ich mache so weiter, bis ich genauso verrückt bin wie er. Wofür würdest du dich entscheiden?«
    Neely schüttelte lachend den blonden Kopf. »Ich würde es in Kauf nehmen, verrückt zu werden, um diesen miesen kleinen Cowboy umzubringen. Und ich würde ihn ganz langsam und qualvoll umbringen …«
    River breitete die Arme aus und drückte seinen Bruder an sich. Dann ließ er die Arme sinken, kam auf mich zu und riss mich an sich. Wir hielten uns so fest, wie wir nur konnten, und River legte seine Lippen an mein Ohr.
    »Ich verschwinde jetzt«, flüsterte er. »Wenn ich es vermassele und meine Gabe einsetze, findet Neely mich. Aber wenn nicht, dann wisst ihr, dass ich das Richtige tue. Sucht nicht nach mir. Und wenn ich zurückkehre, werde ich ein stärkerer Mensch sein. Ein besserer Mensch.«
    River schob seine Hände in meine Haare und presste mich noch fester an sich. »Brodie dachte, er hätte dich getötet. Was wird er tun, wenn er herausfindet, dass du noch lebst? Vielleicht kümmert es ihn nicht. Aber das Risiko gehe ich nicht ein. Deswegen bleibt Neely im Gästehaus wohnen, bis ich
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