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Fuer immer und ledig - Roman

Fuer immer und ledig - Roman

Titel: Fuer immer und ledig - Roman
Autoren: Henrike Heiland
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Schultern. »Doch.«
    »Und du? War’s bei dir genauso?«
    »Oh, bitte. Jeder Mann, egal, wie gerne er irgendwann mal heiraten und eine Familie gründen will, bekommt es mit der Angst, wenn ihm eine Frau nach ein paar Tagen schon mit ihrem Traumhochzeitskleid auf die Pelle rückt.«
    Ich schniefte laut. »Aber du hast ständig mit Kleidern zu tun, ich dachte, es interessiert dich!«
    »Unsinn. Du hast die alberne Idee von der großen Hochzeit in Weiß, aber eine Vorstellung von deinem Bräutigam hast du nicht. Sei doch mal ehrlich!«
    Ich schüttelte stur den Kopf.
    Er fuhr unbarmherzig fort. »Hast du schon mal daran gedacht, dass du den Männern das Gefühl gibst, austauschbar zu sein? Das Einzige, was für dich feststeht, ist dein Hochzeitskleid. Aber fragst du dich auch mal, was mit dem Mann ist? Ob der nicht vielleicht eine eigene Vorstellung von seiner, sagen wir mal ganz allgemein, Zukunft hat? Nein, fragst du nicht. Und wer will denn schon eine Nebenrolle in seiner eigenen Beziehung führen? Kein Wunder, dass sie dir alle fremdgehen.«

    »Du bist so gemein«, schluchzte ich. »Und du bist mir auch fremdgegangen! Warum hast du denn nichts gesagt?«
    Tim beschäftigte sich noch eine ganze Weile mit dem Kleid, bevor er endlich antwortete: »Du hättest doch eh nicht zugehört.«
    Ich wischte mir die Tränen aus dem Gesicht und schlich zur Werkstatttür, als sich diese gerade öffnete. Die Sekretärin der Personalabteilung starrte mich an, und ich starrte zurück.
    »Sie sind krank«, sagte sie.
    »Ich weiß«, sagte ich.
    »Sie wollte trotzdem kommen«, sagte Tim.
    »Gehen Sie wieder ins Bett, Sie sehen entsetzlich aus. Am Ende stecken Sie noch jemanden an«, sagte sie.
    »Danke«, sagte ich und meinte Tim.

4
    Auf dem Heimweg kaufte ich mir lilafarbene halb hohe Docs, um mich aufzumuntern, aber es klappte nicht recht. Zu Hause in meiner winzigen Chaosbude im Grindel, dem Univiertel von Hamburg, versuchte ich, über alles nachzudenken, was mir meine vereinigten Exfreunde gesagt hatten. Aber das klappte auch nicht. Irgendwann fiel mir ein, dass Mittwoch war und ich um drei zum Klavierunterricht musste. Zurzeit hatte ich nur einen Schüler, weil durch den Korrepetitorenjob an der Staatsoper genug Geld reinkam, um anständig zu überleben.
    Da mein alter Flügel nicht in meine Miniwohnung passte, und mein Vermieter sowieso ein erklärter Gegner von Hausmusik war, hatte ich einen Proberaum in einem schon vor Jahren stillgelegten und von mehreren Künstlern besetzten alten Fabrikgebäude in Bahrenfeld. Ich mochte Bahrenfeld. Es hatte noch nichts von der Schickeria der Elbvororte, an die es unmittelbar angrenzte, war aber auch nicht mehr cool genug für die jungen Mittelstands-Ökofamilien, die aus dem benachbarten Ottensen eine Art Prenzlauer Berg von Hamburg gemacht hatten. Bahrenfeld war ganz unspektakulär
irgendwie mittendrin, und schon lange hieß es, der Stadtteil würde demnächst groß rauskommen, ohne dass es sich jemals bewahrheitete. Ich mochte genau diesen Zustand, so unprätentiös und unaufgeregt.
    Auch die Mutter meines Schülers liebte die Atmosphäre in unserem Künstlerhaus. Und das, obwohl sie von Hause aus piekfein und stinkreich war. Sie erschien immer im teuersten Kostüm, nie anders als perfekt manikürt und frisiert, und sie duftete nach einem Parfüm, dessen Gegenwert für jeden von uns bequem die Spesen für einen Monat decken würde. Dabei war sie aber weder arrogant noch eitel. Sie war attraktiv und strahlte eine natürliche Eleganz aus. Und sie hatte kein Problem damit, dass man ihr ansah, wie alt sie war. Andere Frauen mit Mitte vierzig hielten noch verzweifelt am Image einer Dreißigjährigen fest, sie hatte das nicht nötig.
    Ina von Lahnstein trieb sich während der Unterrichtsstunde ihres Sprösslings vorzugsweise bei den Malern und Bildhauern herum. Wie man mir erzählt hatte, verfügte sie über bemerkenswerten Sachverstand und hatte in den vergangenen zwei Jahren, die sich ihr leider sehr untalentierter Sohn mit mir herumquälte, schon das ein oder andere Werk eines hoffnungsvollen Nachwuchstalents erstanden. Gelegentlich schleppte sie auch eine Freundin mit, der der Geldbeutel ähnlich locker saß. Der Mittwoch war deshalb für unsere kleine Gesellschaft der große Tag, an dem alle ihre neuesten Werke herausputzten und mit Weihnachtsgesichtern auf das
Echo der Pradastöckel Ina von Lahnsteins warteten. Sie war auch der ausschlaggebende Grund, weshalb die röchelnde
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