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Fuer immer und ledig - Roman

Fuer immer und ledig - Roman

Titel: Fuer immer und ledig - Roman
Autoren: Henrike Heiland
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vermutlich als schwarz durch.)
    Nichts hier entsprach dem Bild, das Oscars Vater von einem ordentlichen Klavierunterricht für seinen Sohn zu haben schien. So ein Pech aber auch.
    »Oscar macht große Fortschritte«, knurrte ich.
    »Sicher, sicher«, nuschelte er.
    »Heute haben wir Bach durchgenommen.«
    »Bach ist exzellent«, behauptete Oscar.
    Sein Vater sah ihn verwirrt an. »Findest du?«
    »Wie gesagt, er macht große Fortschritte.«
    »Super«, sagte Herr von Lahnstein nervös. »Aber wir müssen, äh, gehen. Seine Großmutter …« Er griff sich sein zerbrechliches Söhnchen und verschwand, indem er die Tür unglaublich sanft hinter sich zuzog.
    Was für ein entsetzlicher Schnösel.
    »Bestimmt bringt ihn nächste Woche wieder seine Mutter«, sagte Jonathan, dem ich davon erzählte. Was Jonathan eigentlich meinte, war natürlich: » Hoffentlich bringt ihn nächste Woche wieder seine Mutter«, und das hoffte er vor allem für sich selbst und seine Skulpturen.
    »Ich meine, haben die zu große Häuser, um sich miteinander zu unterhalten? Müssen die sich vom Westflügel in den Ostflügel zurufen: ›Schatz, ich bringe mal
unseren Sohn zum Klavierspielen!‹ Und das war’s dann zum Thema?« Ich schüttelte fassungslos den Kopf.
    »Aber er hat gut ausgesehen?«, erkundigte sich Tiffy mit einem schelmischen Grinsen.
    »Den könntest du mir auf den Bauch binden«, fauchte ich.
    »Oooh, er sieht also sehr gut aus«, schnurrte sie. »Ob ich’s mir doch nochmal mit den Männern überlege?«
    »Kannst ihn gerne haben.« Genervt verdrehte ich die Augen, kippte den Kaffee runter und verzog mich wieder an meinen Flügel. Ich arbeitete mich an ein paar besonders schweren Stellen von »Gaspard de la nuit« ab, besonders kämpfte ich mit dem ersten Teil »Ondine«, und erst als ich nach anderthalb Stunden erschöpft die Arme hängen ließ, fiel mir wieder ein, was Tim und all die anderen Exfreunde zu mir gesagt hatten.
    Ich war einfach zu schnell gewesen.
    Andererseits: Wenn sie mich richtig geliebt hätten, wäre es ihnen nicht zu schnell gewesen.
    Wieder andererseits: Wenn ich bei jedem gleich bereit gewesen war zu heiraten, waren die Männer offenbar wirklich einigermaßen austauschbar gewesen.
    Das wiederum konnte ja nur heißen, dass ich wahnsinniges Glück hatte, noch Single zu sein, weil der Richtige noch nicht dabei gewesen war. Nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn einer von diesen Fluffen mich tatsächlich zum Traualtar geschleppt hätte! Jetzt musste also nur noch der Richtige kommen. Oder hatte ich ihn sogar schon kennengelernt?

    Ich hing diesen Gedanken noch eine Weile nach. Dann schüttelte ich die Hände, spreizte die Finger, warf mich auf einen Chopin-Walzer, den ich zuletzt bei meinem Abschlusskonzert an der Musikhochschule gespielt hatte und immer noch auswendig konnte.
    Als ich fertig war, klatschte jemand und rief: »Bravo! Da capo! Ich liebe dich!« Ein Blumenstrauß landete auf meinem Flügel, und ein schlanker dunkelhaariger Mann Ende vierzig warf sich mir an den Hals.
    »Rupert, mach sitz«, japste ich und wand mich aus seinem Klammergriff.
    »Schätzchen, deine Blumen sind da. Sie waren natürlich gestern schon da, aber als ich sie dir bringen wollte, haben sie dich an der Oper schlichtweg verleugnet und mir schlimme Lügenmärchen erzählt.« Rupert senkte die Stimme und flüsterte mir ins Ohr: »Du hättest den Figaro zusammengeschlagen und dich anschließend krankgemeldet.«
    »Ach, das«, winkte ich ab. »Alte Geschichten.« Ich schnappte mir die Blumen vom Flügel.
    »Du hast den Figaro zusammengeschlagen?«, lachte er.
    Ich betrachtete die Blumen. »Wie üblich ausgesprochen geschmackvoll«, nickte ich zufrieden.
    »Wann willst du wieder auf die Bühne?« Rupert war mein Agent. Er leitete eine Konzertagentur, die Solokünstler im klassischen Bereich vermittelte. Vor sechs Jahren, als ich mein Konzertdiplom bekam, hatten sich die Agenturen um mich gerissen, aber Rupert war
mir am sympathischsten gewesen. Von Plattenverträgen hatte er gesprochen, aber ich hatte das Gefühl gehabt, noch Zeit zu brauchen. Der ganze Klassikzirkus war mir schon lange suspekt gewesen. Ich liebte zwar die Musik, ich liebte mein Instrument, ich verlor mich komplett, wenn ich spielte, aber ich war das Gefühl nie losgeworden, nicht wirklich dazuzugehören. Wenn ich mir ansah, wer halbwegs erfolgreich war, konnte ich nur denken: Wie sehr muss ich mich verbiegen, um in etwa so zu sein wie die anderen? Also hatte
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