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Fuer immer und ledig - Roman

Fuer immer und ledig - Roman

Titel: Fuer immer und ledig - Roman
Autoren: Henrike Heiland
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Kaffeepadmaschine gegen ein nagelneues glänzendes, gaststättentaugliches Monstergerät eingetauscht werden konnte. Und wann immer sie etwas gekauft hatte, gab es in der darauffolgenden Woche Champagner (den vom Penny, aber der sollte ja richtig super sein, hieß es immer).
    Während seine Mutter große Freude an den Mittwochnachmittagen hatte, machte der junge Oscar von Lahnstein stets ein Gesicht, als wäre er ein Mastkalb auf dem Weg zum Schlachter. Die Phase »Bitte nehmen Sie das Geld und lassen Sie mich einfach nur hier sitzen, aber sagen Sie meiner Mutter nichts davon« hatten wir zwar schon hinter uns gelassen, doch die Hoffnung, dass Oscar jemals so etwas wie Musikalität in sich entdecken könnte, war in mir längst gestorben. Seine Mutter wusste sehr wohl, dass der Junge niemals auch nur ein mittelmäßiger Klavierspieler werden würde. Aber das Klavierspielen läge nun mal in der Familie, erklärte sie alle paar Wochen, deshalb müsse Oscar wenigstens mit den Grundbegriffen vertraut gemacht werden, und eines Tages würde er ihr noch dankbar sein.
    Wenn man zwölf Jahre alt war, konnte man sich überhaupt nicht vorstellen, dass man seinen Eltern jemals für irgendetwas, zu dem sie einen zwangen, dankbar sein würde. Weder dafür, dass man Obst und Gemüse statt Schokolade und Chips essen sollte, noch für das Erlernen von Instrumenten, Mathematik oder Fremdsprachen.

    Ich war wie immer schon etwas früher da und plauderte kurz mit Jonathan, dem Bildhauer aus Manchester, Lene, die immer irgendwas mit viel Sand und noch mehr Krams vom Flohmarkt baute, und Tiffy, meiner liebsten Freundin aus Hochschulzeiten, durch die ich überhaupt erst an diese Räume gekommen war. Wir tranken einen Kaffee, dann ging ich zu meinem Raum, setzte mich an meinen Rietmann-Flügel und legte los. (Der Rietmann-Flügel war mein ganzer Stolz, und vielleicht mochte ich Bahrenfeld auch deshalb, weil die Rietmann-Werke hier ansässig waren.) Wenn ich an meinem Flügel saß, spielte ich nie, was ich an der Oper spielen musste. Die Opernpartituren konnte ich vom Blatt, dafür brauchte ich nicht zu üben. Diese Gabe hatte ich schon als Kind: Ich musste etwas nur einmal hören, schon konnte ich es nachspielen. Das eine war der Job, und mein Flügel war gleichbedeutend mit meiner Freizeit - und auch Freiheit. Das eine finanzierte mein Leben, das andere war mein Leben. Im Moment hatte ich eine Ravel-Phase, in der ich so richtig aufblühte. Die Enttäuschung mit Jörg beflügelte mich sogar noch. Leid war bekanntlich kreativitätsfördernd. Wenigstens etwas Gutes hatte die Sache im Orchestergraben also gehabt.
    Pünktlich um zehn vor drei wechselte ich zu etwas Überschaubarerem, um Oscar nicht zu frustrieren. Anfangs hatte ich noch versucht, ihn mit Mozart oder Haydn zu ködern, mittlerweile war ich auf Gershwin und Porter umgestiegen. Ich hatte zwischendurch auch
mal Popsongs versucht, aber das hatte ihn vollständig verwirrt.
    Ich klimperte gerade wegen des schönen Wetters an »Summertime« herum, als Oscar hereinhuschte und seine Ausgabe vom »Jungen Pianist« - ein Erbstück seiner Mutter - auf den Flügel knallte.
    »Wo ist deine Mutter? Bist du heute allein hier?«, fragte ich, während ich den Platz an den Tasten räumte.
    Er zuckte die Schultern. »Oma kam auf Überraschungsbesuch.« Dann schaute er mich mit riesigen blassblauen Augen an, während sein vornehm-bleiches Gesicht noch bleicher leuchtete als sonst. »Können wir vielleicht heute was anderes machen? Ich würde so gerne dieses Buch in Ruhe weiterlesen …« Er zog etwas aus seiner Ledermappe, in der er die Noten mit sich herumtrug.
    Ich hatte mit so etwas wie dem Comicroman »Gregs Tagebuch« gerechnet - ein Bestseller bei den Kids, der sogar die buchstabenresistentesten Jungs zu begeisterten Lesern gemacht hatte. Bei einem blassen, rotblonden Adelsspross hätte ich mich auch über Thomas Mann oder Goethe nur mäßig gewundert. Aber mit einem Bildband über Architektur hatte ich nun wirklich nicht gerechnet.
    »Ähm, Oscar. Hast du denn nicht mal in Ruhe nachgedacht, welche Musik dir Spaß machen könnte? Oder ob es ein anderes Instrument gibt, das dich interessiert?«
    Oscar schüttelte sein zartes Köpfchen. »Es muss Klavier sein, und da hört sich für mich alles gleich an.«

    Ich schielte auf seinen Bildband und dachte rasch nach. »Ich weiß was. Wir könnten eine Theoriestunde machen. Wie findest du das? Ich erzähle dir einfach was über die verschiedenen
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