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Fuer immer und ledig - Roman

Fuer immer und ledig - Roman

Titel: Fuer immer und ledig - Roman
Autoren: Henrike Heiland
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verkündete er stolz.
    Ich riss die Augen auf. »Aber du hast doch Musik studiert!«
    »Ich habe nochmal studiert. Was Anständiges. Wirtschaftswissenschaften. Und vor kurzem dann meine Prüfung zum Steuerberater abgelegt. Meine Frau macht das schon länger.« Er nickte mir ernst zu. »Man kann ja von der Musik nicht wirklich leben.« Sein Blick fiel auf meine Schuhe.
    Ich dachte schon über eine giftige, aber angemessene Antwort nach, als Jean-Luc mit einem Bäuerchen rauskam und mir gerade noch rechtzeitig einfiel, dass ich etwas von Nils wollte, weshalb es nicht sehr günstig wäre, ihn vorab zu verärgern. Also grinste ich krampfhaft vor mich hin und nickte brav zu seinem Vortrag über die Vorzüge eines ehegemeinschaftlichen Steuerbüros, besonders wenn Kinder im Spiel waren (an dieser Stelle bekam Jean-Luc Schluckauf) und ein Eigenheim finanziert werden wollte. Überhaupt, Steuerberatung war die Zukunft, das einzig krisensichere Gewerbe weit
und breit, sah man mal von Bestattungsunternehmen ab, und ja, er konnte sich wirklich einen zufriedenen Mann nennen.
    Ich entschied für mich, dass es doch etwas traurig klang aus dem Mund eines Dreiunddreißigjährigen, dieses »zufrieden«.
    Da Nils keine einzige Frage mehr zu meinem Leben stellte, wartete ich auf eine Lücke in seinem Vortrag über die finnische Steuerpolitik (wie er darauf gekommen war, hatte ich leider in einer unaufmerksamen Minute verpasst) und fragte schnell: »Sag mal, wo wir gerade so gar nicht bei dem Thema sind. Wieso hast du mich damals eigentlich betrogen?«
    Nils bekam schlagartig einen unbeschreiblich leeren Blick und hörte auf, seinen hicksenden Sohn zu schaukeln.
    Die Antwort, die er mir gab, gefiel mir überhaupt nicht.
     
    Danach traf ich Giorgio, der mich in seiner knappen Mittagspause ins »Lutter & Wegner« an der Elbe schleppte. Das »Lutter & Wegner« kombinierte österreichische Küche mit norddeutschen Einflüssen und rühmte sich in erster Linie für seine Weine. Es war teuer, man zahlte vor allem wohl für den wunderbaren Elbblick, und es passte perfekt zu Giorgio, der schon immer gerne viel Geld ausgegeben hatte. Giorgio und ich waren vor vier Jahren für ein paar Monate zusammen gewesen, nachdem wir uns über seinen Cousin,
der an der Staatsoper im Chor sang, kennengelernt hatten. Damals hatte er als Investmentberater für eine Bank gearbeitet, jetzt war er für eine international ausgerichtete Immobilienfirma tätig und jettete durch die Weltgeschichte, um stinkreichen Leuten unerhört teure Villen zu verkaufen. Gerade hatte er einen Hamburger Kaufmann mit einem Anwesen in Nizza glücklich gemacht, und darauf wollte er mit mir anstoßen.
    »Aaah, Tilly, immer noch die Docs!«, schnurrte er begeistert und kippte den Champagner runter. »Nimm ein Schnitzel, die machen hier super Schnitzel!«, riet er mir, als die Bedienung unsere Bestellung einforderte.
    Während des Essens ließ ich ihn von Nantucket, Monte Carlo und Sylt erzählen, zwischendurch durfte ich ein bisschen was von mir verkünden, und endlich, beim Nachtisch, fragte er: »Und, warum treffen wir uns heute nach so langer Zeit? Dir geht’s doch gut?«
    Ich nickte schnell. »Natürlich, alles super.«
    Giorgio grinste. »Aaah, ich weiß, was du willst.« Er legte seine Hand auf meine und zwinkerte mir zu.
    Ich stöhnte innerlich auf, und mir fiel wieder ein, warum ich damals eigentlich ihn hätte verlassen müssen, nicht umgekehrt: seine ewige Prahlerei, was seine Fähigkeiten als Liebhaber anging. Wie die meisten Angeber auf diesem Gebiet überschätzte er sich maßlos.
    Da ich aber meine Frage noch nicht gestellt hatte und eine möglichst ehrliche Antwort wollte, lächelte ich milde vor mich hin und sagte: »Ach, Giorgio, ja, das
waren noch Zeiten, und gerade am Wochenende fragte ich mich - wieso hat das mit uns eigentlich nicht geklappt?«
    Er zog seine Hand zurück und rieb sich das Kinn. »Ich weiß, ich bin damals mit einem anderen Mädchen … Du weißt schon …«
    »Keine Ahnung. Ich glaube, es war die Bedienung aus deinem Lieblings-Starbucks.«
    »Sie hieß Laura!« Er lächelte kurz sein italienisches Aufreißerlächeln. »Laura und ich waren fast zwei Jahre zusammen.«
    »Zwei Jahre?!«, rief ich erstaunt.
    Er nickte. »Sie hat damals gerade ihren Doktor in Philosophie gemacht. Jetzt hat sie eine Juniorprofessur in … wo war das gleich … München? Wien? Irgendwo da unten.«
    »Ach, sie hat nur im Starbucks gejobbt?«, fiepte ich kleinlaut. »Sag mal
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