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Fuer immer und ledig - Roman

Fuer immer und ledig - Roman

Titel: Fuer immer und ledig - Roman
Autoren: Henrike Heiland
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und anschließend hier bei dir Weisheiten über Männer ausgetauscht.«
    Ich staunte immer noch. »Du hast uns beobachtet!«
    Tim hielt mir eine große weiße Perücke und einen Schminkkasten unter die Nase. »Das Wort ›Beuteschema‹ ist eines von Danielas Lieblingswörtern.«
    »Du hast gestern aber was ganz Ähnliches zu mir gesagt«, fiel mir ein. »Da ging es um Muster.«
    Die Erinnerung kam langsam zurück. Nachdem ich wutschnaubend von Tim weggegangen war, war ich Daniela in die Arme gelaufen. Die hatte schon gehört, dass Jörg nach einem, ähm, Unfall nicht auftreten würde und überall nach der Zweitbesetzung gefahndet wurde. Wir verabredeten uns für nach der Vorstellung in der Maske, um ein wenig zu reden, wie Daniela mir angeboten hatte, und dann - nun ja.
    »Warum redet Daniela immer vom Beuteschema?«, fragte ich verwirrt. »Ihres ist doch ganz einfach: groß, schlank, dunkelhaarig, unter dreißig.«

    »Und schwul.«
    »Oh. Dann sollte sie ihres unbedingt ändern.«
    »Eben. Das hat ihr ihre Therapeutin auch gesagt. Seitdem redet sie nur noch von Beuteschemen.« Er schob mir eine Tasse frisch aufgebrühten Kaffee hin und fing an, sich einen Tee zu kochen. Ich setzte mir die Perücke auf und pustete meinen Kaffee kalt.
    »Ich habe gar kein Beuteschema«, erklärte ich. »Alle meine Exfreunde sind wahnsinnig unterschiedlich.«
    »Das will ich hoffen. Ich wüsste nicht, was ich mit Jörg gemeinsam hätte«, sagte Tim leichthin, während er Teebeutel auseinanderfummelte.
    Jörg und er waren wirklich sehr unterschiedlich. Tim sah auf eine lausbubenhafte Art sehr attraktiv aus und wirkte auf den ersten Blick deutlich jünger als neununddreißig. Wenn man ihn näher kannte, wandelte sich der Lausbub in einen ernsthaften, aufrichtigen und zuverlässigen Mann, mit dem man über alles reden konnte und wollte. Und mit dem man wunderbar befreundet sein konnte und wollte, Ex hin oder her. Aber eine Gemeinsamkeit hatten die beiden dann doch.
    »Du bist aber auch fremdgegangen - genau wie er«, grummelte ich.
    »Gut. Aber das hat nichts mit Beuteschema zu tun. Und außerdem hab ja nicht nur ich dich betrogen«, erwiderte er mit erhobenem Kopf. »Und damit endet auch jede Gemeinsamkeit mit diesem und so ziemlich jedem anderen Deppen, mit dem du mal zusammen warst«, unterstrich er.

    »Vielleicht muss ich mir ein Beuteschema erst aneignen?«, schlug ich vor.
    »Vielleicht musst du einfach mal bei dir anfangen.«
    » Kann es sein, dass du mir die ganze Zeit schon irgendwas sagen willst?«, fragte ich genervt und verbrannte mir den Mund am immer noch zu heißen Kaffee.
    Tim zuckte die Schultern, hängte einen Beutel Rotbuschtee in seinen Becher und setzte sich zu mir an den kleinen Küchentisch. »Was weiß denn ich? Dreh den Spieß um, geh selbst fremd, keine Ahnung.« Er sah mich nicht an, als er das sagte.
    »Nee. Das ist doch albern«, fand ich, obwohl ich sofort anfing, diesen Vorschlag ernsthaft in Betracht zu ziehen. Wenigstens einmal auf der anderen Seite stehen! Einmal die sein, mit der die arglose Freundin hintergangen wird! Endlich die Frau sein, für die ein Mann alles riskiert und aufs Spiel setzt!
    Trotz meines vernebelten Gehirns blieb am Ende meines geistigen Ausflugs in die Welt der Affären mit gebundenen, wenn nicht sogar verheirateten Männern die wenig schmeichelhafte Frage stehen: Warum waren alle meine Exfreunde bereit gewesen, ihre Beziehung mit mir wegen einer anderen aufs Spiel zu setzen?
    »Warum warst du eigentlich bereit, deine Beziehung mit mir wegen einer anderen aufs Spiel zu setzen?«, fragte ich also Tim.
    Aber der kippte nur seinen Tee runter, stand auf, knallte die Tasse in die Spüle und verschwand mit den Worten: »Da solltest du wirklich mal drüber nachdenken.«

    Nachdenken war nicht unbedingt etwas, wozu ich an diesem Tag imstande war, und nachdem Tim gegangen war, legte ich mich gleich wieder ins Bett. Aber bevor ich wegdämmerte, überschwemmten mich die Erinnerungen an das Ende von Tim und mir mit der Intensität eines Alptraums und der Klarheit einer frisch geputzten Fensterscheibe.
    Wir hatten uns verliebt, als ich gerade an der Staatsoper angefangen hatte, und wir waren vier Monate glücklich und fröhlich und unbeschwert. Tim war für mich zugleich der zärtlichste Liebhaber und der beste Freund, den ich mir wünschen konnte, und ich hatte keine Sekunde daran gezweifelt, dass wir den Rest unseres Lebens miteinander verbringen würden. Ich hatte aber auch keine Sekunde
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