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Fuer immer und ledig - Roman

Fuer immer und ledig - Roman

Titel: Fuer immer und ledig - Roman
Autoren: Henrike Heiland
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noch nachholen«, rief Tim. »Ich helf euch! Und wir finden bestimmt noch mehr Leute.«
    »Mehr Leute ja, aber ob wir relevante Unterstützung bekommen?«
    Ich dachte darüber nach, was es für ein Kraftakt gewesen war, vor zwei Wochen große Namen zu aktivieren.
    »Tim«, sagte ich, »ich habe kein gutes Gefühl. Ich glaube, wir sollten wenigstens die Sachen, die uns am wichtigsten sind, rausschaffen. Wenn sie uns hier unter Wasser setzen, gehen die Bilder kaputt. Die Skulpturen. Unsere Laptops. Alles, was wir hier drin haben.«
    Jonathan schaltete sich ein. »Im Hof steht mein Transporter. Wir schaffen am besten so viel wie möglich auf die Ladefläche.«
    »Sieht das nicht aus, als würden wir klein beigeben?«, fragte Tiffy.
    »Sollen wir’s drauf ankommen lassen?«, fragte ich zurück.
    Ich sah in lauter bleiche Gesichter. Sie hatten Angst, aber sie nickten der Reihe nach.
    »Was sollen wir mit den Sachen machen, wenn wir keinen Platz mehr haben?«, fragte Pam.
    Charles Bonham strich sich übers Gesicht und sagte: »Die meinen das doch nicht ernst, das ist doch eine Farce. Versteckte Kamera. Richtig?«
    »Das Problem ist«, sagte ich, »er hat das Recht auf seiner Seite. Wir dürfen nicht hier sein, wir begehen Hausfriedensbruch,
wir sind mehrfach aufgefordert worden, hier auszuziehen, man hat uns eine Frist gesetzt, die wir ignoriert haben, und gestern sind wir ihm auch noch auf der Nase herumgetanzt. Ich hatte wirklich gehofft, wir hätten ein paar Tage mehr Zeit. Und dass unsere Party irgendwas bewirkt.«
    »Sie hat etwas bewirkt«, versicherte Tiffy, wusste aber offensichtlich auch nicht so genau, was das sein sollte.
    »Gleich kommen die ersten Kamerateams«, sagte Rietmann zufrieden und steckte sein Handy weg. »Jede Wette: Die stürmen nicht.«
     
    Er sollte sich irren. Sie stürmten vor laufenden Kameras. Mehrmals hatten sie uns aufgefordert, das Gebäude zu verlassen. Sie klärten uns darüber auf, mit welchen Mitteln sie vorgehen würden. Und dann stürmten sie.
    Wir waren nur eine vergleichsweise kleine Gruppe von etwas mehr als zwanzig Leuten. Das Polizeiaufgebot war überwältigend, und auch, dass sie uns wie Schwerverbrecher behandelten, kam nicht besonders gut an. Die Presse schlachtete die Sache weidlich aus. Gezeigt wurden besonders gerne die Bilder von Charles Bonham, der mit lauter Stimme Protestrufe gegen die Polizeigewalt schmetterte. Aber auch, wie sie Rietmann raustrugen, der sich flach auf den Boden gelegt hatte, als das SEK die Tür eintrat, war ein schönes Motiv. Es sah aus, als wäre er mindestens schwer verletzt, wenn nicht sogar tot. Ich sah auch oft ein Bild von mir und der hübschen Tiffy. Die Presse liebte uns, weil wir anders als
die üblichen Hausbesetzter aussahen: Tiffy noch in einem ihrer Kostüme, in dem sie bei unserer Party aufgetreten war, und ich in meinem schicken neuen Anzug im Dandylook. Als sie mich herausschleppten, sah ich, dass Ina von Lahnstein aus einem Taxi sprang und auf ihren Mann zuschoss. Der Einsatzleiter glaubte wohl, die Dame wäre in Sorge um ihren Mann und ließ sie durch.
    Sie schlug ihrem Mann wortlos ins Gesicht. Der Einsatzleiter wollte sie zurückhalten, aber sie wehrte sich tapfer, bohrte ihm ihren Absatz ins Knie und knallte ihrem Mann gleich noch eine, bevor man sie mit uns zusammen in einen der Mannschaftswagen steckte.
    Es dauerte keine Viertelstunde, bis sie uns wegbrachten. Aber wir blieben lange genug, um zu sehen, wie sich die Abrissbirne auf die alte Fabrik senkte und alles zerstörte, was uns wichtig gewesen war. Unsere Arbeit, unsere Kunst, unseren selbstbestimmten Raum.
    »Mein Flügel«, flüsterte ich und sah so lange aus dem Heckfenster, bis die zusammenstürzende Fabrik nicht mehr zu sehen war.

25
    Es hat unbestreitbare Vorteile, wenn man zusammen mit prominenten und/oder wohlhabenden Mitgliedern der Gesellschaft verhaftet wird: Sie stellen einem ihre Anwälte vor.
    Wir armen Schlucker hatten nun also die Wahl zwischen den Anwälten von Charles Bonham, Ina von Lahnstein und Fabian Rietmann. Und weil wir sie nicht bezahlen konnten, würden unsere Mitgefangenen die Rechnung großzügig übernehmen. Die Anwälte wurden gerecht unter uns aufgeteilt, ich bekam den von Charles Bonham, und in kürzester Zeit waren die Formalitäten erledigt, die Anzeigen wegen Hausfriedensbruch vom Tisch, und wir konnten uns verkrümeln. Lediglich Ina von Lahnstein musste etwas länger bleiben, weil sie einen Polizeibeamten angegriffen und verletzt
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