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Für immer in Honig

Für immer in Honig

Titel: Für immer in Honig
Autoren: Dietmar Dath
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Konten, nämlich das Berliner Sparkassengiro, vorläufig beendet. Die Karte konnte sie wegschmeißen.
    Freddy, abends, auf den zwei weißen Schafsfellen vor dem Fernseher, fand’s drollig, krümelte mit Chips und prustete, sich auf den Rücken drehend: »Tabula rasa, das ist ja geil. Wie in ›Fight Club‹, die Stelle, wo sie diese ganzen Videokassetten löschen, mit so einem Handmagneten. Destruktiv, nein, noch cooler: Selbstdestruktiv. Wittgenstein hat sein Geld wenigstens bloß verschenkt, als er den Rappel gekriegt hat. Aber du … du hast den Schlüssel zum Tresor rumgedreht und ins Klo geschmissen. Das ist Kunst, Bea. Kunst. Beschemselt, aber Kunst.«
    Sie rümpfte die Nase und krabbelte mit den Fingern unter seinem Hemd auf der Brust rum: »Kein Wunder, daß deine Buchhandlung krepiert ist, wenn du immer alles gleich philosophisch siehst, du blödes Arschloch.«
    »Ich blödes Arschloch, indeed«, stimmte Freddy gelassen zu, und dann ging es sofort um sehr viel wichtigere Knutschereien.
    Beate blieb nichts übrig, als eine Sparkasse aufzusuchen, wo man ihr per sogenannter »Blitzgiro-Überweisung« bei Vorlage eines Personalausweises – es war der einzige der in ihrem Besitz befindlichen sechs verschiedenen, den sie in Freiburg zu benutzen vorhatte, hier wollte sie, anders als in Berlin, nur unter einem Namen auftreten – fürs erste wenigstens mal zweitausend Euro aus Berlin »kabelte«, wie der Freiburger Bankjunge sich überraschend altväterlich ausdrückte. Einen Antrag auf eine neue EC -Karte, versicherte ihr vertrauter Berliner Kundenberater Bea telefonisch, würde man ihr mit der Post schicken. Sobald sie den ausgefüllt zurücksandte, wäre alles Weitere dann eine Frage von wenigen Tagen, allerhöchstens zweieinhalb Wochen, dann würde sie ihre neue Karte im Briefkasten finden. Kleine Probleme, mittelgroße Lösungen.
    So glaubte Beate in dieser ersten Woche ihres neuen Lebens, keinen Grund zur Unruhe zu haben.
    Sie wußte nicht, daß die Schlüsselfahndung der Bahn keinen Erfolg haben konnte, weil eine alte beru flich e Konkurrentin an jenem Tag der Fehler und Mißgeschicke mit ihr im selben Intercity gefahren war, sie nämlich beschattet hatte, um zu verifizieren, daß die Gehasste tatsächlich in den Süden umzog. Die Feindin, die während der ganzen Reise bloß zehn Meter hinter Beate, lediglich einen Waggon weiter, gelauert hatte, mit Sonnenbrille auf der Nase und blonder Perücke auf dem Kopf, war gelegentlich zum Schein aufs Klo gegangen, um dabei nach der lesenden, dann schlafenden Beate zu sehen, und stieg in Freiburg kurz nach ihr aus.
    »Kurz nach«, das heißt: dicht hinter ihr.
    Sie konnte ihr Glück kaum fassen, als Beate der Schlüsselbund aus der Hosentasche fiel.
    Zwei Wochen, beschloß sie, wollte sie abwarten und Beates weiteres Verhalten, inklusive etwaiger Versuche, die Schlüssel wiederzubekommen, genau beobachten, bevor sie handelte.
    Sie wollte nämlich sicher gehen, daß das mit dem Verlust der Schlüssel eine echte Panne, keine Falle war. Beates Abstecher zum Service Point, den die Feindin vom Zeitschriftenladen aus verfolgte, räumte in dieser Hinsicht zwar die meisten Zweifel aus. Aber sicher war sicher. Die Feindin hatte Zeit.

ZWEITES KAPITEL
    Aus der Schachtel rauserzählt • In einem dunklen Wort • Unterwegs nach Sex
    1  Valerie Thiel war hübsch wie ein Bild von Balthus, im Kopf recht fit und im übrigen von allen Seiten völlig fünfzehnjährig. Ich muß von ihr erzählen, sonst hat alles andere gar keinen Sinn.
    Ich sitze zwischen schiefgegangenen Abbildungen, weiß gerade nicht, ob das jetzt eher »Funktionen« oder »Funktoren« sind – so etwas zu klären, fällt mehr in Philips Gebiet als in meines, ich hab’ mich mal fürchterlich blamiert dabei. An der Wand vor mir, soviel läßt sich erkennen, jagt ein prähistorisches, dickbäuchiges Männchen mit Pfeil und Bogen meinen Schatten, die beiden rennen immer im Kreis, Wand vor mir, Wand links von mir, Wand hinter mir, Wand rechts von mir, dann wieder Wand vor mir. Ich weiß gar nicht so genau, ob das Männchen wirklich den Schatten jagt oder nicht doch eher mein richtiges Selbst, das ich wirklich bin, während der Schatten dann umgekehrt in diesem Sessel sitzt, auf dessen weichen Armlehnen meine oder seine Hände und Ellenbogen ruhen, während ich mit Euch rede.
    Egal: Ich nehme mal an, ich darf Euch Valerie Thiels Geschichte erzählen.
    Ist, von Euch aus gesehen, schließlich auch nicht sinnloser, als
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