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Für immer in Honig

Für immer in Honig

Titel: Für immer in Honig
Autoren: Dietmar Dath
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Wagen. Das Rasseln, das sie dabei hörte, beachtete sie nicht, es war ja leise, gedämpft wegen der Ohrenstöpsel, die aus den Ohren zu nehmen sie in der Eile vergaß. Schon auf dem Bahnsteig wurde ihr klar, daß das, was da leise gerasselt hatte, die aus der Hosentasche fallenden Schlüssel gewesen waren. Sie ächzte, pulte sich die Stöpsel aus den Ohren und bemerkte erschrocken, daß sich die Zugtüren zu ihrer Linken soeben automatisch schlossen. So fuhr der Intercity ab, als Freddy, der Beate auf dem allmählich weniger überlaufenen Bahnsteig schon verwundert bis enttäuscht gesucht hatte, vor sie hintrat.
    Der schöne Mann hielt ihr einen lächerlich großen Strauß gelber Rosen unter die Nase und sagte: »Ich hab mir fast das Kreuz gebrochen, deine ganzen Kisten aus dem Umzugswagen in die Wohnung hochzuschleppen. Was hast du mir verschwiegen, deine wertvolle Steinkopf-Sammlung von den Osterinseln?«
    Beate lächelte müde, schnupperte an den Rosen. Die rochen gut, mehr wie feurige kleine Tierchen als wie Pflanzen, Salamander vielleicht, oder Libellen.
    Dann sagte sie: »Ich glaub’, mir ist grad mein Schlüssel weggefahren.«
    »Hinterrücks?« fragte Freddy grinsend.
    »Hinterrücks«, stimmte Bea zu, und hakte sich bei ihm unter.
    »Ist ja voll beschemselt«, äußerte Freddy sein Mitgefühl und freute sich übers Unterhaken.
    Sie wußte, was in den Kisten war, von denen er geredet hatte: Bücher hauptsächlich, schwere Bildbände, Kunstgeschichte und Kunst, von den Hethitern bis zu Jeff Wall. Das würde nicht nur ihm, wenn man’s zusammen auspackte, nicht nur ihren angeblichen Broterwerb plausibel machen, sondern war ihr auch wirklich lieb.
    In der großen, hellen Wohnung zu Berlin war sie abends gern am Schreibtisch, im Sessel oder auf dem Bett gesessen und hatte sich langsam blätternd zerstreut.
    Nichts, was ihn argwöhnisch hätte machen können, war mit diesen Kisten angekommen; ihr Arbeitszeug hatte sie drei Tage früher einem Vermittler anvertraut, das heißt einem Boten zwischen einigen ihrer Stammkunden und ihr selbst, im sicheren Gefühl, es so bald nicht zu brauchen: Ein halbes Jahr Abstand vom Job, der Entschluß war gefaßt.
    Schlimm fanden beide das mit dem Schlüssel nicht.
    Man wußte ja ziemlich sicher, wo er war, und würde sich sehr bald drum kümmern können: »Das Ding fährt nach Zürich weiter«, stellte Freddy fest, »und wenn ein Passagier es findet, gibt er’s sicher beim Schaffner ab. Tja, und der bringt es dann … die Bahn wird das Ding irgendwie aufheben, da kommt man schnell wieder ran.«
    »Können wir für die Wohnung nicht auch einfach gleich morgen früh einen nachmachen lassen?«
    »Tschoo … Weiß nicht … das ist ja so ’ne hochmoderne Schließanlage … wir haben zwei, die Hausverwaltung hat noch einen, und der Hausmeister, der kommt überall rein. Diese Buden da am Seepark sind halt Neubauten, da ist alles auf Sicherheit und Spitzenkomfort ge… ähm.«
    »Gedreht?«
    »Gemurkst. Ich glaub’, es bedeutet insgesamt weniger Ärger, wenn wir deine Schlüssel erst mal von der Bahn zurückzukriegen versuchen. Sonst muß man vielleicht das ganze Schlössersystem austauschen und bezahlen oder ich weiß nicht was.«
    Beate zuckte mit den Schultern und sagte: »Ich hol’ mir gleich mal Geld und zahl’ uns das Taxi.« Die Bahnhofsvorhalle war laut, aber überschaubar. »Soll das heißen, du hältst mich für einen Hungerleider, nur weil ich im Moment wieder bei den Katholischen in der Gebetbuchabteilung jobbe und mein kleiner Laden zusammengeknickt ist?«
    »Nee. Das soll heißen, daß ich im Moment kein Bargeld im Geldbeutel habe, und mir welches holen will. Paß bitte auf die Taschen auf, o.k.?«
    Der Kartenschlitz des EC -Automaten der Reisebank nahm Beates Plastik nicht an.
    Die Elektronik blockierte den ganzen Vorgang sogar schon, als sie es einen Fingernagel breit reingeschoben hatte. Beate seufzte: Reisebank, das bedeutet eh immer Ärger. Am Bahnhof Zoo hatte so ein Ding mal zwar die von ihr verlangten 50 € abgebucht, aber nicht ausgezahlt, woraufhin sie sich per Handy bei der auf einem Etikett am Kasten vermerkten Beschwerdenummer gemeldet und das beanstandet hatte. Die Frau am andern Ende der Verbindung hatte ihr gestreßt versichert, es wäre schon alles o.k., und tatsächlich wurde der Betrag auch nicht aus Beates Giroguthaben rausgesäbelt, aber die Karte war nach diesem Telefonat einen ganzen Tag lang gesperrt, bei allen anderen Automaten, telematisch,
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