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Für immer am Meer - Henry, V: Für immer am Meer

Für immer am Meer - Henry, V: Für immer am Meer

Titel: Für immer am Meer - Henry, V: Für immer am Meer
Autoren: Veronica Henry
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konnte.
    »Haben Sie mich denn nicht erwartet?«
    Er seufzte leicht entnervt und machte eine wegwerfende Geste mit der Hand. »Doch, doch.«
    Jane fühlte sich alles andere als willkommen, eher wie jemand, der kam, um den Gaszähler abzulesen. Sie folgte ihm durch einen kühlen Flur ins Wohnzimmer.
    Von außen hatte sie das Haus schon häufig gesehen. Es wirkte ein bisschen einschüchternd, wie es da auf der Klippe thronte, mit den Schildern im Garten, die in roten Lettern warnten: Privatgrundstück – Betreten verboten . Es fühlte sich merkwürdig an, jetzt in diesem Haus zu sein. Zögernd sah sie sich um.
    Das riesige Wohnzimmer hatte einen gewienerten Parkettboden und eine komplett verglaste Wand, durch die man das Meer sah. Von ihrer Strandhütte aus konnte man natürlich auch das Meer sehen, aber von hier oben war der Anblick viel spektakulärer. Glitzernde Wellen, so weit das Auge reichte.
    »Machen Sie jetzt bloß keine Bemerkung über die großartige Aussicht!«, warnte er sie. »Ich kann’s nicht mehr hören.«
    »Hatte ich auch nicht vor«, gab sie zurück. »Ich sehe das Meer schließlich jeden Tag. Der Anblick hängt mir auch zum Hals raus, wenn Sie’s genau wissen wollen.«
    Als sie ihn anschaute, meinte sie, den Anflug eines Lächelns auf seinem Gesicht zu entdecken.
    Vor den Fenstern stand ein gewaltiger, mit Büchern und Papieren übersäter Schreibtisch. Leere Tassen und Gläser sta pelten sich, dazwischen eine Flasche Brandy. Ein von zur Hälfte gerauchten Zigaretten überquellender Aschenbecher thronte auf einem aufgeschlagenen Wörterbuch. Es juckte Jane in den Fingern, das ganze Chaos zunichtezumachen und alles ordentlich aufzuräumen, aber irgendwie hatte sie nicht den Eindruck, dass Mr. Shaw das zu diesem Zeitpunkt gutheißen würde. Miss Grimshire hatte ihnen erklärt, dass es häufig seine Zeit dauerte, einem Arbeitgeber Ordnung beizubringen. Bei Mr. Shaw wahrscheinlich noch länger.
    »Eigentlich wollte ich das Manuskript während meines nächsten Aufenthalts in London abtippen lassen«, sagte Mr. Shaw, »aber mein Verleger will es früher haben, als ich erwartet hatte. Sind Sie schnell?«
    Jane nickte.
    »Und sorgfältig?«
    Wieder nickte sie.
    »Gut.« Er kramte einen Stapel Papiere zusammen. »Kommen Sie mit.«
    Enttäuscht darüber, dass sie nicht in dem geräumigen Wohnzimmer arbeiten konnte, folgte sie ihm eine Treppe nach oben und einen Flur entlang in ein Zimmer, das wohl früher einmal ein Schlafzimmer gewesen war, jetzt aber als Arbeitszimmer genutzt wurde. Es gab ein kleines Fenster, das zur Einfahrt hin ging, an den anderen Wänden standen Regale mit mehr Büchern, als Jane jemals außerhalb einer Bibliothek gesehen hatte. Vor dem Fenster befand sich ein kleiner Tisch mit einer Schreibmaschine und einem dicken Stapel sauberen Papiers.
    »Ich habe diesen Platz für Sie ausgesucht, weil ich keinen Lärm ertrage. Halten Sie die Tür geschlossen. Wenn Sie etwas trinken oder essen wollen, bedienen Sie sich einfach in der Küche, aber belästigen Sie mich nicht.« Er legte das Manuskript auf dem Schreibtisch ab und nickte ihr zu. »Von zehn bis vier, habe ich Ihrer Mutter gesagt. Länger will ich niemanden hier im Haus haben. Es ist bei Todesstrafe verboten, mich zu stören.«
    Er durchbohrte sie mit seinem Blick.
    Jane rang sich ein Lächeln ab. »Verstanden.«
    Er nickte knapp und verließ das Zimmer.
    Jane zog die Brauen hoch. Er war ganz anders, als sie erwartet hatte. Viel, viel jünger als der verknöcherte alte Mr. Shaw, den sie sich vorgestellt hatte, wahrscheinlich Mitte dreißig, schätzte sie. Und ziemlich unwirsch. Sie hatte sogar den Eindruck, dass er ein bisschen angetrunken gewesen war, meinte, eine leichte Brandyfahne bei ihm wahrgenommen zu haben. Besser, sie würde ihm, so gut es eben ging, aus dem Weg gehen. So musste sie sich von niemandem behandeln lassen.
    Vorsichtig setzte Jane sich an ihren neuen Schreibtisch. Er wackelte ein bisschen. Sie betrachtete die Manuskriptseiten, die er ihr gegeben hatte. Mit schwarzer Tinte beschriebenes Papier, die Handschrift schräg und kaum leserlich, immer wieder waren Stellen dick durchgestrichen, andere mit Verweispfeilen und Sternchen versehen.
    Halesowen, las sie, war eine Stadt, die einen dazu trieb, sich die Pulsadern aufschneiden zu wollen. Es sei denn, man hatte das Pech, dort geboren zu sein, dann kannte man eben nichts anderes. Aber wenn man aufgrund einer grausamen Fügung des Schicksals hier gestrandet war,
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