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Für immer am Meer - Henry, V: Für immer am Meer

Für immer am Meer - Henry, V: Für immer am Meer

Titel: Für immer am Meer - Henry, V: Für immer am Meer
Autoren: Veronica Henry
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ihr wurde ganz warm. Oder war es die Mischung aus Sonne und Wein, den sie schließlich doch getrunken hatte, obwohl er ihr anfangs ungenießbar erschienen war.
    »Lesen Sie gern, Jane?«
    Die Frage machte sie verlegen, denn sie las nicht, jedenfalls nicht wirklich. Das letzte Buch, das sie zu Ende ge bracht hatte, war Amber von Kathleen Winsor, und das auch nur, weil gerade alle in der Schule den Roman lasen und das zerfledderte Buch von Hand zu Hand gegangen war. Aber nach den Werken zu urteilen, die in seinen Regalen standen, glaubte sie nicht, dass die Missgeschicke einer Mätresse in der Zeit der Stuart-Restauration das waren, was Mr. Shaw für Literatur hielt.
    »Jeder liest doch gern, oder?«, antwortete sie und wich so der Frage aus.
    »Sie würden sich wundern.« Er füllte sein Glas erneut. »Manchmal denke ich, wenn mehr Menschen sich die Zeit nähmen, gute Bücher zu lesen, gäbe es weniger Probleme auf der Welt.«
    Nein, dachte Jane, Amber fiel ganz sicher nicht in diese Kategorie. Terence Shaw würde das Buch in keiner Hinsicht für gut befinden.
    Als sie wieder in ihr kleines Zimmer zurückkehrte, war sie etwas benebelt, aber dennoch froh, dass ihr Arbeitgeber etwas aufzutauen schien und nicht mehr so kurz angebunden war wie gestern. Jane war selbst überrascht, wie eifrig sie sich wieder an das Manuskript machte.
    Anita Palmer hatte soeben den jungen Mann aus Kapitel zwei kennengelernt, Joe Munden. Und irgendwie hatte Jane das Gefühl, bereits zu wissen, was als Nächstes passieren würde.
    Sie erschrak, als Terence Shaw zur Tür hereinkam.
    »Es ist fünf Uhr«, sagte er.
    Jane war sich nicht sicher, ob es ihn ärgerte, dass sie immer noch da war, oder ob ihn ihr Arbeitseifer beeindruckte.
    »Tut mir leid«, stammelte sie. »Ich wollte einfach wissen, wie es weitergeht …«
    Das strahlende Lächeln, mit dem er sie bedachte, schien das ganze Zimmer zu erhellen. »Das ist gut«, sagte er. »Wirklich gut.«
    Er warf ein Buch auf den Tisch. Lady Chatterleys Liebhaber . Jane lief rot an. Sie hatte schon davon gehört – wer nicht?
    »Schauen Sie doch mal, wie Ihnen das gefällt.«
    Dann verließ er das Zimmer.
    Zögernd nahm Jane das Buch, als könnte sie sich daran die Finger verbrennen. In den Zeitungen wurde immer noch lang und breit über die Gerichtsverhandlungen berichtet, die der Druck dieses Romans nach sich gezogen hatte. Obszöne Literatur – dieses Buch konnte sie auf keinen Fall mit in die Strandhütte nehmen. Ihre Mutter würde in Ohnmacht fallen, wenn sie sie dabei erwischte, wie sie es las. Andererseits sollte ihre Mutter ihr doch den Buckel runterrutschen. Sie hatte ihr schließlich die Stelle bei Mr. Shaw besorgt. Was konnte Jane dafür, wenn ihr Arbeitgeber von ihr verlangte, dass sie dieses Buch las?
    Außerdem konnte sie ja einfach den Schutzumschlag austauschen. Jane zog ein Buch der gleichen Größe aus dem Regal und wischte mit klopfendem Herzen den Staub vom Cover.
    Als sie gerade gehen wollte, fiel ihr ein, dass heute Freitag war. Ob Terence Shaw erwartete, dass sie auch am Wochenende zur Arbeit kam?
    »Mr. Shaw?«, rief sie zaghaft. »Brauchen Sie mich auch am Wochenende?«
    Er lehnte sich in seinem Sessel zurück und zog nachdenklich an seiner Zigarette.
    »Ein Schriftsteller hat keine Freizeit, wenn er erst einmal im Fluss ist«, sagte er. »Aber darüber brauchen Sie sich keine Gedanken zu machen. Wir sehen uns Montag früh wieder.«
    »Danke.«
    »Und ich heiße Terence. Wenn Sie Mr. Shaw zu mir sagen, komme ich mir vor wie ein – Schulmeister. Oder wie ein Friedensrichter.«
    Er schenkte ihr ein Lächeln. Er sah so ganz anders aus, wenn er lächelte.
    Jane nickte einfach nur. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass sie je den Mut aufbringen würde, ihn Terence zu nennen, aber sie sagte nichts. Sie würde einfach vorläufig jede Anrede vermeiden.
    Fast den ganzen Samstag verbrachte sie am Strand auf einer kratzigen Fußmatte aus dem Auto und versuchte zu lesen. Dabei achtete sie sorgsam darauf, dass ihre Mutter nicht mitbekam, was sie da las.
    Jane fand den Roman anstrengend und fürchterlich langatmig, aber sie war wild entschlossen, ihn bis zum Ende zu lesen. Irgendetwas in ihr wollte, wenn schon nicht Terence Shaw beeindrucken, so ihm doch zumindest beweisen, dass sie kein kleines, dummes Mädchen war, dessen Gedanken sich nur um Jungs und Klamotten drehten.
    Am späten Nachmittag dröhnte ihr der Schädel vom stundenlangen Konzentrieren und In-der-Sonne-Liegen. Ganz
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