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Für hier oder zum Mitnehmen?

Für hier oder zum Mitnehmen?

Titel: Für hier oder zum Mitnehmen?
Autoren: Ansgar Oberholz
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steigen und hier im Aschinger auf Mieze warten.«
    Wir gingen ein paar Schritte in den Raum hinein. Florian musterte alles mit seinem kritischen Architektenblick.
    »Das große Loch hier vorne am Tresen, kommt da noch was rein, oder ist das ein Bohemien-Loch?«
    Der Tresen wurde als langes, raumgreifendes Objekt erbaut, da fast alles an und in ihm stattfinden soll. Er erstreckt sich vom neuen Eingang bis zur Kuppel im hinteren Gastraum. Eckige, klobige Grundformen werden durch ein alles überspannendes, geschwungenes beiges Tresenband eingefasst, das den Tresen zeitgemäß, aber nicht übergestaltet erscheinen lässt. Dahinter ist ein offener Raum, mit einer kreisrunden Grundfläche und einer Viertelkugel als Decke: die Kuppel. Sie wurde mit echtem Silberbeschlag, wie man ihn in Kirchen verwendet, ausgekleidet und mutet sakral und orientalisch an. Die Wände sind mit einem sanft türkisfarbenen Stoff bespannt. Unter der Kuppel würde man auf einer großen, kreisrunden Bank sitzen. Die dreibeinigen Couchtische aus den fünfziger Jahren, Fundstücke aus Berliner Trödlerläden, lagerten noch oben im zweiten Stock.
    »In dieses Loch wird morgen Abend ganz zum Schluss die Glaskühlvitrine eingesetzt. Die ist das Herzstück des Tresens. Dort werden alle Speisen präsentiert. Es gibt nämlich keinen Service am Tisch, nur Selbstbedienung.«
    »In diesem großen Laden willst du keinen Service anbieten? Und die Gäste sollen ihre Kaffeetassen über die Treppe in die Galerie im ersten Stock tragen? Du hast Nerven!«
    »Vorher war hier Burger King, übrigens die erste Filiale auf dem Gebiet der ehemaligen DDR . Die hatten doch auch keinen Service.«
    »Burger King oder die DDR ?«
    »Sehr witzig!« Ich deutete auf die Wand gegenüber dem Tresen. Zu Burger-King-Zeiten gab es sie nicht, denn dahinter, im Nachbarhaus, befanden sich der Tresen und die Küche. Hier sind jetzt Bänke in Hüfthöhe angebracht. »Morgen kommen noch vier hohe, massive Tische, die mit der langen Wand ein Gegengewicht zum Tresen bilden werden. Schwarze Vierkant-Stahlgestelle mit sehr dicken Tischplatten, die vom Schreiner mit einer Sechziger-Jahre-Küchentischoberfläche bezogen wurden. Eierschalenfarben. Könnte sogar dir gefallen.«
    »Jetzt fängt es an zu kribbeln. Irgendwann will ich auch mal ein Café eröffnen.«
    »Glaube mir, das sieht einfacher aus, als es ist. Wenn ich gewusst hätte, welche Forderungen die Ämter an einen Gastronomen stellen, dann hätte ich mich wahrscheinlich gar nicht getraut, die Sache anzugehen. Wir haben eine Küchenabluftanlage bauen müssen, die einen großen Lüftungskanal bis zum Dach hat. Dort oben sitzt der Motor. Für den forderte das Bauamt ein Schallschutzgutachten. Wir sind hier allerdings direkt am Rosenthaler Platz, und das ist eine der lautesten Straßenkreuzungen Berlins. Ich glaube nicht, dass es irgendeine Lüftungsanlage gibt, die gegen diesen Straßenlärm ankommt. Trotzdem, das Gutachten musste erstellt werden, keine Diskussion. Ungeplante Kosten inklusive. Überhaupt ist die Sanierung viel teurer geworden als gedacht. Das Darlehen ist längst aufgebraucht.«
    Florian versuchte mich zu beruhigen. Dass die realen Baukosten die geplanten Kosten überstiegen, sei Alltag in der Baubranche. An meiner finanziellen Situation änderte das nichts.
    Egal, wo ich mich mit Florian befand, wir standen immer jemandem im Weg, alle waren nervös und angespannt.
    »Du kannst dir nicht vorstellen, wie sehr ich mich auf den Moment morgen Abend freue, wenn alle Handwerker draußen und dafür alle Möbel drin sind. Für jede Ecke haben wir unterschiedliche Sitzmöglichkeiten geplant. Gebrauchte Fundstücke, von Sesseln über alte Holztische bis zu großen Packtischen aus einer alten Lagerhalle. Aber die wichtigen funktionalen Elemente sind neu gestaltet worden. Insgesamt eine ungewohnte Kombination, du wirst es morgen ja sehen. Wenigstens wird in der Küche schon gekocht, und die Kaffeemaschine läuft bereits.«
    »Nun denn«, Florian krempelte die Ärmel seines Hemdes hoch, »ich glaube nicht, dass wir heute Nacht viel Schlaf bekommen. Da kann ein Kaffee zu später Stunde nicht schaden.«
    Die Eröffnungsfeier am nächsten Tag glückte, wenn auch mit einigen Abstrichen und Opfern. Sie war kurz, aber rauschend.
    Bald nach der Eröffnung hatte sich Florians Frau von ihm getrennt und war mit den beiden gemeinsamen Kindern zu ihrem neuen Freund gezogen. Ich hatte mich schon gewundert, dass sie ihn nicht nach Berlin zur
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