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Für hier oder zum Mitnehmen?

Für hier oder zum Mitnehmen?

Titel: Für hier oder zum Mitnehmen?
Autoren: Ansgar Oberholz
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ich schon mehrmals verschoben hatte, wieder nicht halten zu können, empfahl mir einer der auf der Baustelle tätigen Handwerker, Klamotte zu kontaktieren: »den Mann fürs Wesentliche«. Als ich ihn traf, übergab er mir eine Visitenkarte. Auf der Vorderseite stand »Klamotte – Haus- und Gastroservice«, auf der Rückseite nur seine Mobiltelefonnummer. Er war bei einem der großen Berliner Nachtclubs als Hausmeister fest angestellt und verdiente sich in anderen Clubs und Kneipen etwas dazu. Wenn er in den letzten Tagen nicht mit angefasst hätte, wäre ich gezwungen gewesen, den Eröffnungstermin erneut zu verschieben. Das hätte auch der Bank, bei der ich ein Darlehen zur Finanzierung des Umbaus aufgenommen hatte, sicherlich nicht gefallen.
    In einem Abrisshaus, in dem er zu tun hatte – Klamotte hatte immer in allen möglichen Häusern etwas zu tun –, konnte er eine Duschkabine ergattern. Eine All-inclusive-Duschkabine, mit Pumpe und Abfluss, die man wie eine Waschmaschine an vorhandene Waschbecken anschließen kann. Solche Duschen kamen vor allem in badezimmerlosen Wohnungen der neunziger Jahre zum Einsatz. Eine solche wollte er bei mir als Personaldusche aufstellen. Auf meinen Einwand hin, dass uns das zweite Stockwerk doch bald gar nicht mehr zur Verfügung stehen würde, teilte er mir mit, dass alle Gastronomen, die er kenne, die Personaldusche nur für die Abnahme zur Konzessionserteilung errichten würden, um sie danach sofort wieder abzubauen. Ähnlich den Behindertentoiletten, die später meist als Lager genutzt würden. Schweren Herzens nahm ich seinen Rat an, und er versprach mir, die Dusche sehr bald zu installieren.
    Als ich mich nun mit dem Kontrolleur in den zweiten Stock begebe und den Vorraum der Toiletten betrete – besser gesagt, als wir uns an der Toiletteneingangstür, die sich aufgrund der völlig deplatzierten Duschkabine kaum noch öffnen lässt, vorbeischieben, treffen wir auf Klamotte, der gerade die Installation abgeschlossen hat und sein Werkzeug zusammenpackt.
    Klamotte trägt stets einen Armeeoverall, im Sommer mit abgeschnittenen Beinen und Armen. Auf dem Kopf hat er eine Lederkappe, die sich dort zu jeder Jahreszeit befindet.
    »Das hier soll also Ihre Personaldusche sein?«
    Der Kontrolleur ist gereizt. Wir stehen dicht gedrängt im Vorraum der Toilette um die Duschkabine herum.
    »Wat solln dit sonst sein?«, fragt Klamotte noch gereizter als der Kontrolleur zurück.
    Ich räuspere mich nervös und denke angestrengt nach, wie ich die Situation entschärfen könnte. Warum habe ich nicht auf meine Eltern gehört und einen meiner Studiengänge zu einem erfolgreichen Ende gebracht?
    »Ich bezweifele, dass diese Dusche«, das ›u‹ zieht der Kontrolleur unnötig in die Länge, »überhaupt funktionsfähig ist. Bitte stellen Sie mir das mal unter Beweis.« Der Kontrolleur lehnt sich mit seinem Oberkörper etwas zurück und hebt die Augenbrauen. Er hält ein Klemmbrett mit einem Formular in der Hand.
    Ich stehe als Nächster an der Öffnung der Kabine, schaue Klamotte ängstlich an, der mir mit geschlossenen Augen selbstsicher zunickt.
    Obwohl ich die Armaturen voll aufdrehe, Warm- und Kaltwasser, tröpfelt nur ein Rinnsal aus dem Duschkopf.
    »Tja«, sagt der Kontrolleur triumphierend, »wie ich es bereits vermutet hatte: nicht funktionsfähig.«
    »Wieso nich funktionsfähich? Ick seh ne Dusche, und aus der kommt Wasser. Und zwar warmet.« Klamotte nimmt forsch die Hand des Kontrolleurs, in der sich ein Kugelschreiber befindet, und hält sie unter das klägliche Flüsslein. »Wat jenau is nu hier nich funktionsfähich? Dit hier is ne eins a Personaldusche, und nu nehmen Se mal Ihren Griffel und vermerken dit uff Ihrm Zettel. Daaf ja wohl nich wahr sein, imma diese Korinthenkacker vom Amt.«
    Der Kontrolleur schaut mich mit großen Augen an. Mir ist die Situation alles andere als angenehm. Ich schaue hilflos mit ebenso großen Augen zurück und versuche dabei aufmunternd zu lächeln. Ich kenne Klamotte noch nicht lange und habe keine Ahnung, was für ihn in einem normalen Handlungsspielraum liegt. Meine Unsicherheit lässt sich wohl nicht verbergen.
    Der Kontrolleur blickt abwechselnd mich und Klamotte an. Die Tür des Vorraumes ließe sich nur öffnen, wenn Klamotte einen Schritt zurückginge.
    Für den Mann vom Amt scheint alles Mögliche in einem normalen Handlungsspielraum von Gastrotechnikern zu liegen. Wie ferngesteuert hebt er die noch nasse Hand und macht einen Haken auf
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