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Für hier oder zum Mitnehmen?

Für hier oder zum Mitnehmen?

Titel: Für hier oder zum Mitnehmen?
Autoren: Ansgar Oberholz
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seinem Formular. Er holt tief Luft und sagt seufzend zu Klamotte: »Damit ist die Konzession erteilt, sie wird Ihnen in den nächsten Tagen per Post zugehen.«
    »Na siehste, jeht doch! War doch ja nich soo schwer, wa? Und weh jetan hat dit ooch nich.« Klamotte schlägt dem Kontrolleur heftig auf die Schulter, der muss seine Körperhaltung korrigieren, um nicht mit dem Gesicht gegen die Duschkabine geklopft zu werden. Die andere Hand hält er mir hin mit den Worten: »Herzlichen Glückwunsch, Herr Gastronom!«

2.
    DAS ERBE DER ASCHINGERS
    I ch begleite Klamotte bis zu seinem Auto, einem ausrangierten gelben Paketwagen der Post. Er ist sichtlich gut gelaunt. Ich will gerne noch ein wenig in seiner Nähe bleiben.
    Der Rosenthaler Platz pulsiert, eine Vielzahl von Passanten geht an den beiden Eingängen des Eckhauses vorbei, manche schauen hinein, sehen aber keinen Anlass, in die große leere Halle mit den riesigen, bis zum Boden reichenden Fenstern einzutreten.
    Ich fühle mich erschöpft. Die Anstrengungen der letzten Monate waren groß gewesen. Nachdem ich den Vermieter von meinem Vorhaben überzeugt hatte, musste ich die Bank überreden, mir ein Darlehen zu gewähren. Einen mir bis dahin unbekannten Behördenmarathon zum Erlangen der Konzession zurücklegen, die Baustelle im Griff behalten und versuchen sozial nicht zu vereinsamen.
    Mit letzter Kraft schleppte ich mich bis zum Tag der Eröffnung wie bis zum Ende einer Schwangerschaft. Ich hatte nicht glauben wollen, dass der Laden nicht gleich von alleine laufen würde. Ich hatte gehofft, dass nach der Geburt alles einfacher würde.
    Am frühen Abend vor der Eröffnung kehrte ich den Bürgersteig vor dem Café. Ich stützte mich mehr auf den Besen, als dass ich ihn bewegte, und versuchte mich bei der Arbeit zu erholen. Der ausklingende Junitag und seine rötliche Sonne halfen mir dabei.
    »Hast du die Eröffnung schon wieder verschoben?«
    Florian, ein alter Freund aus Kindheitstagen in der Kleinstadtsenke, riss mich aus meiner Besenmeditation. Er lebte als Architekt in München und war eigens für die Eröffnungsfeier angereist.
    »Sehr witzig!«
    Wir fielen uns in die Arme und klopften uns fest und lang auf den Rücken. Florian ist mittelgroß und blond, früher wurden wir gelegentlich für Brüder gehalten. Heute trägt er sein Haar kurzgeschoren.
    »Nein, ernsthaft. Ich habe eben drinnen nach dir gesucht, das sieht nicht nach Eröffnung aus ...«
    Im Laden wuselten unzählige Handwerker, handwerklich begabte Sozialkontakte und Fremde herum, es sah tatsächlich nicht so aus, als würden wir morgen eröffnen. Florians Bemerkung entzog mir Kraft, aber wie so oft in den letzten Wochen ging ich darüber hinweg und ließ mich von dem festen Glauben an den zu erwartenden Erfolg tragen.
    »Schön, dass du es aus München hierhergeschafft hast. Komm mit rein, ich zeige dir alles.«
    Wir betraten das Café. Vieles war schon fertigsaniert und aufgebaut, einiges fehlte noch und sollte in den nächsten Stunden und am folgenden Tag angeliefert und fertiggestellt werden.
    »Der Laden ist größer, als ich dachte«, sagte Florian erstaunt. »Eine solche Deckenhöhe ist selten, das sind ja bestimmt fünf Meter. Musstet ihr hier denn viel renovieren?«
    Insgesamt hatten die Innenarchitektinnen und ich das Gefühl, dass wir einfach nur der Spur der ehemaligen Gastwirtsbrüder folgen und das alte, mittlerweile total verbaute Aschinger wieder wachküssen müssten, in zeitgemäßer Gestaltung. Das bedeutete, dass wir die Räumlichkeiten gänzlich entkernen, Wände, Böden und alle Einbauten bis auf die Toiletten herausreißen und alles neu ansetzen mussten. Uns war bewusst, dass das alte Aschingerschiff ein gründliches Lifting und Fettabsaugen benötigte. Die originalen und ästhetischen Elemente hatten Burger King sowieso nicht überlebt, bis auf die Treppe.
    »Den zweiten großen Eingang haben allerdings wir geschaffen, den hatten die Aschingers damals nicht«, erklärte ich.
    »Welche Aschingers?«
    »Das war früher eine Aschinger-Bierquelle. Alfred Döblin und George Grosz sollen hier Stammkunden gewesen sein. Zu den Speisen und selbst zum Bier wurde so viel Brot gereicht, wie man wollte. Das Brot wurde eingesteckt und mitgenommen, die Kellner tolerierten das stillschweigend. Sicherlich einer der Gründe, warum sich die Bohème der zwanziger Jahre hier traf. Und Döblin lässt Franz Biberkopf in Berlin Alexanderplatz nach seiner Haft am Rosenthaler Platz aus der Elektrischen
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