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Fuenf Frauen, der Krieg und die Liebe

Fuenf Frauen, der Krieg und die Liebe

Titel: Fuenf Frauen, der Krieg und die Liebe
Autoren: Helen Bryan
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des fünfzigsten Jahrestages des Victory in Europe Day teilnehmen wollten. Außerdem war ein Treffen mit anderen Air-Force-Einheiten auf ihrem alten Flugplatz in Norfolkgeplant. Von dort aus waren sie damals mit ihren B-17 und B-24 zu gefährlichen Tagesluftangriffen über Deutschland gestartet.
    Alice hatte sich bereit erklärt, die Reise zu organisieren, und weil sie aus Großbritannien stammte und außerdem von Natur aus dazu neigte, die Dinge in die Hand zu nehmen, betrachteten die anderen Frauen sie als ihre Anführerin.
    Nach dem Start streiften die Damen ihre Schuhe ab, setzten sich bequem zurecht und begannen bald, über ihre Tabletts mit dem Abendessen hinweg das zu tun, was Südstaatler »Besuche machen« nennen. Meist unterhielten sie sich über ihre Familien, und leberfleckige Hände reichten Fotos von Enkelkindern kreuz und quer über den Gang zwischen den Sitzreihen. »Da freust du dich, nach Hause zu kommen, nicht wahr, Schätzchen?«, sagten sie immer wieder zu Alice. »Ob sich England wohl sehr verändert hat, seit du weg bist?«
    »Nach Hause! Meine Liebe, Alice’ Zuhause ist Atlanta! Sie lebt seit fünfzig Jahren in Amerika«, wandte Alice’ Freundin Rose Ann vom Nachbarsitz aus ein. »Also wirklich!«
    »Schade, dass du nicht mit uns zu dem Treffen gehst und zu der Kranzniederlegung und dem Essen, schließlich hast du die ganze Reise für Joe und die Jungs organisiert. Aber ihr habt ja euren eigenen Gottesdienst und ich kann mir vorstellen, dass deine alten Freunde sich riesig freuen, wenn du zu ihnen kommst. Bestimmt habt ihr euch eine Menge zu erzählen«, meinte die Dame auf dem Sitz hinter ihr.
    »Oh ja und ich freu mich sehr darauf, sie zu sehen«, antwortete Alice in dem gedehnten Dialekt, der so typisch für den Norden Georgias war und der sich im Laufe der Jahre in ihre Stimme geschlichen hatte. »Oh ja«, dachte sie. Da gab es sehr viel zu erzählen. Alice war nie eine Frau gewesen, die sich vor etwas drückte, und nach allem, was Elsie ihr über Frances geschrieben hatte, war es ihre Pflicht, hinzufahren.
    Die Frauen ignorierten das immer lauter werdende Getöse am anderen Ende des Flugzeugs, wo ihre Männer zu viel Whiskey tranken, sich Geschichten aus dem Krieg und schmutzige Witzeerzählten, den Stewardessen einen Klaps auf den Hintern gaben und sie »Schätzchen« nannten. Nach dem Abendessen holten Alice und einige andere Damen ihre Strickarbeiten oder ihre Stickereien hervor, andere versuchten zu schlafen. Schließlich gähnte Alice, rollte ihr Strickzeug zusammen, knipste das Licht über ihrem Sitz aus und zog sich die Schlafmaske aus dem Reiseset über die Augen, das die Fluggesellschaft für ihre Passagiere bereithielt.
    Während Alice und die anderen Passagiere ihr Flugzeug bestiegen, startete am Ben-Gurion-Flughafen ein weiterer Flug Richtung London. Es war fast Mitternacht und so servierten die Flugbegleiter in aller Eile das Essen und dämpften dann das Licht. Tanni Zaymans Enkelkinder dösten schon bald in ihren Sitzen rechts und links von ihr. Als typische Teenager hatten Chaim und Shifra nur dünne T-Shirts an, auf denen jeweils der Name ihrer Lieblingsband prangte. Im Flugzeug war es kühl und Tanni bat die Stewardess um Decken. Eine breitete sie über Chaim, der in seinem Sitz hing, die Füße in den Gang gestreckt, die Kippah schief auf dem Kopf. Mit der anderen deckte sie seine Schwester zu. Tanni dachte, wie bezaubernd sie aussahen, wenn sie schliefen, doch sie war froh, eine Weile Ruhe von ihrem ständigen Gezänk zu haben, wo doch ihre eigenen Gedanken so sehr in Aufruhr waren. Die Vorstellung, nach Crowmarsh Priors zurückzukehren, wühlte sie derart auf, dass an Schlaf nicht zu denken war.
    Am anderen Ende des dunklen Ganges weinte ein Baby und Tanni rutschte unruhig in ihrem Sitz hin und her. Das Wimmern weckte die alte namenlose Panik in ihr. Es gibt keinen Grund dafür, ermahnte sie sich. Sie schloss die Augen und atmete tief ein und aus, um sich zu beruhigen.
    Als sie Elsies Brief öffnete, hatte sie an Brunos Krankenhausbett gesessen. Sie faltete ihn auseinander und die Einladung und die Erste-Klasse-Tickets für Tanni und Bruno segelten zu Boden. »Nein!«, hatte Tanni laut ausgerufen, als sie sah, wofür sie bestimmt waren. Selbst nach all den Jahren wurde ihr übel bei dem bloßen Gedanken, nach England oder gar in das Dorf zurückzukehren,selbst mit ihrem Mann, Bruno, an ihrer Seite. Und nach der Herzoperation, die er gerade hinter sich gebracht hatte,
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