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Führe mich nicht in Versuchung

Führe mich nicht in Versuchung

Titel: Führe mich nicht in Versuchung
Autoren: Eve Byron
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Holzkohle aus seiner Hosentasche zu ziehen und ihr einen Backenbart zu malen. Dann würde sie wie sein Schuldirektor aussehen. Aber er war in der letzten Woche zehn Jahre alt geworden und fand, dass er zu alt für solche Späße war.
    Max zuckte zusammen, als sie plötzlich einen ohrenbetäubenden Schrei ausstieß. Aus lauter Verzweiflung streichelte und tätschelte er ihre Wangen, um sie zu beruhigen. Bei Hunden funktionierte das.
    Zu seiner Überraschung schloss sich ihr Mund um seinen Zeigefinger und begann, heftig daran zu saugen.
    Er erstarrte, als sie mit ihrer winzigen Hand nach, seinem Finger griff und ein zufriedenes Glucksen ausstieß. Aus irgendeinem Grund verspürte er ein seltsames Kitzeln in seinem Bauch, ganz so, wie er es verspürte, wenn er wusste, dass sein Vater bald nach Hause kommen würde.
    Dieses Gefühl war gefährlich. Ihm war klar, dass er, wenn es vorüber war, einen Kloß in der Kehle zurückbehalten würde, der wehtat ... oder schlimmer noch, der ihn zum Weinen bringen konnte. Er zog seinen Finger weg.
    Das Baby begann zu wimmern, und schon bald strömten ihm Tränen über die Wangen. Er fragte sich, ob wohl wirklich etwas nicht stimmte und schaute furchtsam zur Tür des Kinderzimmers hinüber.
    Dann wandte er sich wieder dem Baby zu. » Schhhh «, murmelte er.
    Jillian hörte auf zu weinen, und ihr Blick konzentrierte sich auf sein Gesicht. Die Intensität ihrer Augen faszinierte ihn, und er starrte zurück. Er entdeckte kleine Farbflecken, die genau dem Grün von Damiens Augen entsprachen. Und ihr Kopf war gar nicht wirklich kahl. Er erblickte kleine, schwarze Härchen. Ihre Augenbrauen zeichneten eine ebenso pfeilgerade Linie wie bei Damien. Sie sah ihrem Bruder ausgesprochen ähnlich.
    Da gab in seinem Inneren etwas nach, und der gefürchtete Kloß bildete sich in seiner Kehle.
    »Was ist los?« erkundigte sich Damien, der in diesem Augenblick in den Raum gestürzt kam. Seine Tante folgte ihm mit langsameren Schritten. »Ich habe gehört, wie sie zu weinen begann, aber in dem Moment, als ich LadyLou fand, hörte sie auf.«
    »Sie wollte meinen Finger essen, aber das habe ich nicht zugelassen«, erklärte Max.
    Damiens Tante lächelte ihm zu. »Sie hat Hunger. Vielen Dank, dass du so gut auf sie aufgepasst hast.«
    »Gern geschehen«, erwiderte Max steif. Er war sich noch nicht ganz darüber im klaren, ob er Lady Louise Forbes mochte oder nicht. Sie war die Schwester von Damiens Vater, ein Blaustrumpf, die, laut Damien, erschütternd unabhängig war. Ohne, dass man sie darum gebeten hatte, war sie hier eingezogen und hatte verkündet, sie wolle das Baby großziehen und nicht nur die Mutterstelle vertreten, sondern auch als Gouvernante fungieren. Damien nannte sie LadyLou. Max bemühte sich, sie, wenn möglich, überhaupt nicht beim Namen zu nennen.
    »Lasst uns gemeinsam auf sie aufpassen, bis die Amme kommt«, schlug sie vor.
    »Aber Max und ich könnten sie doch in den Schlaf wiegen«, bot Damien an.
    Nein! hätte Max am liebsten gerufen. Er erkannte die Absicht, die dahintersteckte. Damien und er hatten immer alles geteilt, und nun versuchte Damien auch, seine Schwester mit ihm zu teilen. Aber sie war kein Lieblingsstein oder irgendeine Schlange in einer Schachtel. Man konnte sie nicht mit nach Hause nehmen und über Nacht behalten. Er wollte nicht auf sie aufpassen oder sie halten oder sonst etwas mit ihr anstellen.
    »Ihr werdet nachher noch genug Zeit haben, sie zu sehen«, beruhigte ihn Lady Louise. »Sie braucht ihre Amme, bevor sie wieder einschlafen kann.« Sie lächelte über Damiens niedergeschlagenen Blick. »Ihr beide werdet sicher etwas anderes finden, womit ihr Euch beschäftigen könnt. Vielleicht beißen ja die Fische im Teich oder es lauert ein Seeungeheuer unter der Wasseroberfläche, das ihr bezwingen müsst.«
    Maxens Herz begann aufgeregt zu schlagen. Es schien schon eine Ewigkeit her zu sein, seit sein Freund Gefallen an etwas anderem gefunden hatte, als die ganze Zeit im Kinderzimmer-seiner Schwester zu verbringen. »Unsere Schwerter liegen immer noch unter einem Stein in der Nähe des Wassers versteckt«, sagte er, obwohl er wusste, dass sie für solche Spiele zu alt waren. Wobei das eigentlich nicht stimmte. Es dauerte noch einige Monate, bevor er zehn sein würde. Max hätte zehn Drachen bekämpft, wenn es ihm nur seinen Freund zurückbrachte.
    »Bist du sicher, dass du uns nicht brauchst, LadyLou?« erkundigte sich Damien zögernd.
    »Absolut sicher.« Sie
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