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Führe mich nicht in Versuchung

Führe mich nicht in Versuchung

Titel: Führe mich nicht in Versuchung
Autoren: Eve Byron
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es ist erst vier Monate her.« Er nahm ihre Hand. »Hast du jetzt Lust zu schaukeln?«
    Sie nickte und ließ es zu, dass er sie mit sich zog. Sie war noch ganz benommen von dem, was sie gerade gelernt hatte. Weihnachten war schon eine Ewigkeit vorbei. Es ging über ihr Begriffsvermögen, dass Max seinen Vater weder vorher noch an Weihnachten gesehen hatte. Aber Max war doch Weihnachten hier gewesen. Erst jetzt wurde ihr klar, was das zu bedeuten hatte. Max hätte Weihnachten allein verbracht, wenn er nicht zu ihnen gekommen wäre.
    Sie blickte über ihre Schulter zu Max zurück. Sein Gesicht trug wieder diesen traurigen Ausdruck. Das erinnerte sie ein wenig an die Weise, wie Damien eben im Arbeitszimmer ausgesehen hatte, und daran, wie sie sich gefühlt hatte, während ihr Vater entschied, ob er sie nach Westbrook Castle mitnehmen sollte oder nicht. Aber sein Blick war irgendwie - hungriger ...
    Ja, dieser Blick trug einen Namen und stand für ein bestimmtes Gefühl. - Hunger.
    Armer Max. Sie und Damien sahen ihren Vater schon sehr selten aber ihr wurde klar, dass Max den seinen noch viel seltener sah. Sie und Damien hatten zumindest sich. Aber Max hatte niemanden.
    Sie kamen bei der Schaukel an, und während Jillian sich auf dem Brett zurechtsetzte, lehnte sich Max gegen den Baum und kreuzte die Arme vor der Brust. Am liebsten hätte sie geweint, denn seine Augen erinnerten sie jetzt daran, wie die Saphire aussahen, wenn kein Licht auf sie fiel.
    »Was ist los, Jillie? Warum runzelst du die Stirn?« erkundigte sich Damien.
    Sie hätte es ihm gerne gesagt, aber irgendwie konnte sie es nicht erklären. Max hatte sie nie gemocht, nicht einmal richtig mit ihr geredet, und doch schmerzte ihr Herz plötzlich, wenn sie daran dachte, wie er litt. »Ich möchte, dass du mich ganz kräftig anschubst, Damien. Ich möchte den Himmel berühren!«
    »Nein. Du könntest fallen.«
    »Ich werde mich ganz fest halten. Fester als jemals zuvor. Schau nur«, sagte sie und umklammerte das Seil so kräftig, dass ihre Knöchel weiß hervortraten. »Bitte, bitte, bitte, Damien.«
    »Also gut«, lenkte er ein. »Aber versprich mir, dass du nicht auf deinem Sitz hin und her rutscht.«
    »Ich verspreche es«, sagte sie, während ihr Bruder das Brett zu sich heranzog.
    »Fertig?«
    Sie nickte. Zum Fliegen bereit.
    Sie segelte vor und zurück, während Damien sie immer höher und höher schubste. Sie konnte nicht genug bekommen von diesem Gefühl in ihrem Bauch, dass sie jedes Mal empfand, wenn sie zurückschwang.
    Max verließ seinen Platz am Baum und starrte zu ihr hinauf.
    »Höher«, kreischte sie.
    Sie streckte ihre Beine nach vorn, als Damien lachte und ihr einen weiteren Stoß versetzte. Die Schaukel schoss so schnell durch die Luft, dass sie Max nur verschwommen erkannte, als sie an ihm vorüberflog. Alles, was sie sah, war blauer Himmel und bauschige, kleine Wolken. Und dann schien sie für einen wunderbaren Moment in der Luft stehenzubleiben. »Ich berühre den Himmel«, schrie sie.
    Plötzlich aber verlor sie den Halt an den Seilen und schoss mit dem Gesicht zuerst nach vorne. Ein Schrei löste sich in ihrer Kehle, als sie sah, wie sich ihr die Erde entgegenwölbte. Das einzige, woran sie denken konnte, waren die Vögel, die sie dabei beobachtet hatte, wie sie gegen eine Fensterscheibe flogen und tot zu Boden fielen. Sie schloss die Augen.
    Ihr Schrei erstarb, als ihr auf schmerzhafte Weise der Atem genommen wurde und ihr Kinn gegen ihre Brust schlug. Der Schmerz in ihrer Mitte machte es unmöglich, zu atmen. So war es also, wenn man starb.
    »Ich hab' dich«, sagte da eine Stimme, die zugleich schroff und sanft war, und sie wusste, dass es nur Max sein konnte.
    Sie schlug die Augen auf. Das erste, was sie sah, waren ihre Füße, die über der Erde baumelten. Ihr wurde klar, dass sie wie eine Marionette in der Luft hing. Sie war nicht tot. Max hatte sie von hinten gefangen. Der Schmerz in ihrer Mitte stammte von seinen Händen, die-, sie in einem erbarmungslosen Griff festhielten.
    Jillian begann zu zittern. Sie drehte sich herum, um ihr Gesicht an seiner Brust zu vergraben und legte ihre Arme um seinen Hals. Sie bemerkte, dass sein Herz ebenso aufgeregt schlug wie das ihre.
    »Du bist in Sicherheit«, murmelte er und umfasste ihren Hinterkopf mit seiner Hand.
    »Oh Gott. Ist sie verletzt?« erkundigte sich Damien erschrocken. »Jillie, bist du verletzt?«
    »Nein, sie hat nur einen großen Schreck bekommen«, sagte Max. »Du hättest
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