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Führe mich nicht in Versuchung

Führe mich nicht in Versuchung

Titel: Führe mich nicht in Versuchung
Autoren: Eve Byron
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Ordnung sei. Er hatte denselben Ausdruck auf dem Gesicht, den er manchmal trug, wenn er sie und Damien beobachtete. Dieser Blick machte sie traurig.
    Er ließ sie plötzlich los und trat zurück.
    Sie senkte die Augen und betrachtete ihre Finger. Überraschenderweise waren sie sauber. Einen Zahn zu verlieren war gewöhnlich eine schmutzige Angelegenheit. »Es hat nicht einmal geblutet«, sagte sie erstaunt.
    »Deine Nase ist ein wenig rot. Es tut mir leid. Ich wollte dir nicht wehtun.«
    »Oh, du hast meiner Nase nicht wehgetan, du hast meinen Zahn ausgeschlagen«, lispelte sie und beugte sich hinab, um ihn aus dem Gras aufzuheben. »Siehst du.« Sie streckte ihre Hand aus, um ihm dem Zahn zu zeigen.
    »Oh, mein Gott«, murmelte ei und starrte auf das glänzende, weiße Etwas auf ihrer Handfläche.
    »Er war schon locker«, fügte sie schnell hinzu. »Ich hatte ihn sowieso beinahe selbst heraus. Du hast mir dabei geholfen.« Sie warf ihm ein breites Lächeln zu, damit er sehen konnte, wovon sie sprach.
    Ein seltsamer Ausdruck erschien auf seinem Gesicht. Sie hatte das Gefühl, als habe er sich von ihr entfernt, obwohl er sich keinen Meter bewegt hatte.
    Sie steckte ihren Zahn zu den zerbrochenen Knochen in die Tasche ihres Kleides. »Ich bewahre alle meine Zähne auf«, gestand sie.
    »Ich verstehe«, erwiderte er mit einer Stimme, die ebenso weit entfernt schien wie sein Gesichtsausdruck. »Entschuldige mich jetzt bitte.« Er schob sich an ihr vorbei und schritt davon.
    Tränen schossen ihr in die Augen, und sie musste sich Mühe geben, um sie hinunterzuschlucken. Er mochte ja nett anzusehen sein, aber sein Inneres war hässlich. LadyLou hatte schon recht: wenn man wollte, dass die Leute einen nett fanden, musste man sich auch nett verhalten.
    Sie lief hinter ihm her und hatte ihn eingeholt, als er gerade um die Ecke der Gartenmauer bog. »Damien ist bei Vater«, sagte sie atemlos. »Sie machen sich in einer Stunde auf den Weg nach Westbrook Castle.«
    Die Worte waren kaum aus ihrem Mund, als sie Damiens aufgebrachte Stimme hinter sich vernahm. »Jillie, wie kannst du nur solche Lügengeschichten erzählen?«
    Er hatte sie erwischt, wie schrecklich! Sie war sofort wütend auf Max, denn es war alles seine Schuld. Er sollte eigentlich gar nicht hier sein. Sie wollte ihn nicht hier haben. Sie starrte zu ihm hinauf, und ein Kloß wuchs in ihrer Kehle, als sie sah, wie sich ein trauriger Ausdruck auf Maxens hübschem Gesicht ausbreitete.
    »Antworte mir, Jillie«, sagte Damien und stellte sich neben Max.
    »Ich dachte, du würdest mit Vater abreisen«, log sie aufgebracht und bemühte sich, kein schlechtes Gewissen zu bekommen.
    »Nein, so ist es nicht«, korrigierte sie Damien. »Du hättest besser zuhören sollen, statt an deinem Zahn herumzuspielen.« Er beugte sich vor und blickte auf ihren Mund. »Was ist denn mit ihm passiert?«
    »Ich bin in Max hineingelaufen und da ist er ausgefallen«, antwortete sie.
    »Wir sind an der Gartenmauer kollidiert«, fügte Max mit tonloser Stimme hinzu. Er wandte seine Aufmerksamkeit Damien zu. »Hast du heute nachmittag schon etwas vor?«
    »Außer Jillian einen kräftigen Schubs auf der Schaukel zu geben noch nichts«, erwiderte Damien. »Was machst du eigentlich hier, Max?«
    »Der Herzog musste sich woanders um irgendwelche Dinge kümmern und war unabkömmlich«, entgegnete Max.
    »Ich dachte, dein Vater würde mit Sicherheit nach Bassett kommen«, sagte Damien. »Es müssen doch schon sechs Monate her sein, seit du ihn zum letzten Mal gesehen hast.«
    Jillian fragte sich, wie lange sechs Monate wohl sein mochten. Sie konnte es nicht leiden, wenn sie sich über Dinge unterhielten, die sie nicht verstand.
    Max zuckte die Schultern. »Wenn ich Glück habe, dauert es noch ein halbes Jahr, ehe er wieder auftaucht.«
    Das wiederum konnte Jillian gut verstehen. Der Herzog von Bassett war ein furchteinflößender Mann. Er sah sie immer an, als sei sie eine Wanze, die es zu zerquetschen galt. Max betrachtete er auf die gleiche Weise. Aber ein halbes Jahr kam ihr doch recht lang vor. Sie ließ ihre Zunge geistesabwesend über die Lücke in ihrem Mund gleiten und fragte sich, wie viel Zeit das wirklich sein mochte. Ein Jahr dauerte von einem Geburtstag zum nächsten, aber sich die Hälfte davon vorzustellen, bereitete ihr Schwierigkeiten. »Damien, war Weihnachten vor einem halben Jahr?« fragte sie.
    Damien wuschelte durch ihr Haar. »Ich denke, dir wird es wohl so vorkommen, aber nein,
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