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Fucking Berlin

Fucking Berlin

Titel: Fucking Berlin
Autoren: Sonia Rossi
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neben mir einschlief. In seinem Gesicht spiegelten sich gleichzeitig Vaterstolz und Müdigkeit. Zwanzig Stunden hatte er auf einer Liege im Kreißsaal ausharren müssen.
    Jule und Rudy besuchten mich noch am selben Tag, doch die Geburt hatte mich so fertiggemacht, dass ich nur stumm dalag und nicht viel zu erzählen wusste. Ich beobachtete immer wieder mein Baby, hielt seine kleinen Finger in der Hand und streichelte das haarlose Köpfchen, und alles, was ich empfand, war Glück und Dankbarkeit.
    Nach vier Tagen durfte ich das Krankenhaus verlassen. Ich lebte nach Fynns Rhythmus, schlief viel und stillte ihn auf dem Balkon, damit er die Sonnenstrahlen spüren konnte. Nachts lag er in der Wiege neben mir und Ladja, wir sahen zu, wie sein winziger Brustkorb sich regelmäßig hob und senkte, während er friedlich träumte, und waren uns einig,dass wir ein kleines Wunder geschaffen hatten. Nicht ein einziges Mal dachte ich während dieser Zeit darüber nach, ob ich eines Tages wieder anschaffen gehen würde. Die Welt der Bordelle schien mir so fern wie der Mond.
    Ich glaubte, dass der Frieden und die Freude über das neue Leben noch Monate anhalten würden, bis mir eines Morgens im Supermarkt die Kassiererin meine EC -Karte zurückgab.
    »Die Zahlung ist abgelehnt worden«, flüsterte die junge Frau mit mitleidigem Blick.
    Ich packte die Ware von meiner Tasche wieder auf das Laufband, riss ihr die EC -Karte aus der Hand und verließ mit großen Schritten den Laden. Hinter mir hatte sich eine Schlange gebildet und die Leute starrten mich an, als ob ich eine Kriminelle wäre. Ich wusste sofort, dass Ladja während meines Klinikaufenthaltes Geld abgehoben hatte, anders konnte ich mir die Ebbe auf dem Konto nicht erklären. Obwohl ich immer noch von der Geburt geschwächt war, rannte ich regelrecht nach Hause und stürmte die Treppe hoch. Mein Ehemann lag auf der Couch und sah fern, Fynn schlief friedlich auf seinem Schoß.
    »Was hast du mit der Kohle gemacht?«, brüllte ich, riss ihm die Fernbedienung aus der Hand und zerschmetterte sie auf dem Boden.
    Das Kind wurde von den Schreien wach. Ich nahm Fynn auf den Arm und tröstete ihn sanft. Ladja nutzte die Gelegenheit und schloss sich im Badezimmer ein. Als das Baby sich wieder beruhigt hatte, klopfte ich gegen die Tür, bis Ladja zermürbt aufmachte.
    »Ich habe auf meinen Sohn getrunken – bei uns in Polen macht man das so. Ich habe nur ein bisschen gefeiert«, gestand er.
    »Das Geld hatte mir meine Familie geschickt. Wir solltenetwas für unseren Sohn kaufen, du bescheuerter, nutzloser Idiot«, schrie ich. Mit zitternden Händen zündete ich mir eine Zigarette an, die erste seit langer Zeit. Mir wurde davon schwindelig und die beruhigende Wirkung blieb aus. Nach ein paar Minuten marschierte Ladja frisch geduscht aus dem Badezimmer raus, er trug nur ein Handtuch um seine Hüften.
    »Ich lasse mir deine Beleidigungen nicht gefallen«, sagte er. »Du kannst mir nicht verbieten, mit meinen Kumpels anzustoßen, wenn ich Vater werde.«
    Ich drückte die Zigarette im Aschenbecher aus, guckte ihn an und schüttelte den Kopf.
    »Kapierst du es nicht?«, wetterte ich los. »In den ganzen Jahren habe ich uns immer den Arsch gerettet, aber das kann ich jetzt nicht machen. Ich habe gerade entbunden. Ich kann doch jetzt nicht in den Puff ficken gehen!«
    »Habe ich dich je dazu gezwungen?«, fragte er nur leise.
    »Was soll das Kind demnächst anziehen? Er braucht dringend eine Winterjacke, es wird kälter, falls du es noch nicht gemerkt hast«, erwiderte ich. »Und was sollen wir morgen essen? Und übermorgen? Der Kühlschrank ist fast leer!«
    »Du bist im Endeffekt wie mein Vater«, sagte Ladja. »Er hatte immer nur Schläge für mich übrig und du hast nur deine verletzenden Worte. Für euch beide bin ich doch nichts als ein Versager.« Er zog sich an, ging aus der Wohnung und kam erst spätnachts zurück.
    In meiner Verzweiflung kam ich auf die Idee, meinen Vater anzurufen in der Hoffnung, dass er mir noch ein paar hundert Euro für seinen neugeborenen Enkel schicken würde, und zwar schnellstmöglich.
    »Wie, du hast kein Geld? Was macht dein Ehemann eigentlich den ganzen Tag? Versteht er nicht, dass er jetzt eine Familie ernähren muss?«, fragte er besorgt.
    »Doch, er hat ja einen Job, nur bezahlt haben sie ihn noch nicht«, log ich. Es war mir peinlich, wie offensichtlich Ladja sich nicht für unsere materielle Zukunft interessierte, selbst in der jetzigen Situation.
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