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Fucking Berlin

Fucking Berlin

Titel: Fucking Berlin
Autoren: Sonia Rossi
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Zeitschriften und naschte Smarties. Irgendwann kannte ich die ganzen Klatschblätter auswendig, weshalb ich immer häufiger per ICQ mit Andreas chattete, meinem Chef, der die ganze Zeit ein Stockwerk unter mir im Büro saß und sich ebenfalls langweilte. Unser beinahe einziges Thema war Sex, jedenfalls endete es meistens dort.
    Eines Abends, im Chat war wieder mal nichts los, beichtete er mir die ganzen Seitensprünge, die er in fünfzehn Jahren Ehe begangen hatte. Ich tat, als ob ich schockiert sei.
    »Von dir hätte ich das nie gedacht«, gab ich vor.
    »Hey, ich hab wirklich sonst keine Leichen im Keller. Ich trinke nie Alkohol, gehe nicht mit Kumpels aus, zocke nicht. Verdammt, was habt ihr Frauen bloß immer? Ich bin auch nur ein Mensch!«, war die Antwort.
    »War nur ein Scherz, bin auch keine Mutter Teresa«, schrieb ich zurück.
    Der dunkelhäutige Andreas war eigentlich der deutscheste Mann, den ich je kennengelernt habe. Er kam immer überpünktlich ins Büro, räumte ständig auf und hatte nie Vorurteile gegen irgendwen. Das war die korrekte Seite an ihm. Die andere Seite offenbarte er mir im Chat – nämlich, dass er seine Frau zwei Jahre lang mit ihrer Cousine betrogen hatte. Da die heiße Verwandte im Baumarkt in Hellersdorf arbeitete, trafen sich die beiden jeden Tag zurMittagspause in ihrem Auto und vögelten, bis sie wieder arbeiten musste. Alles flog auf, als ihr Ehemann sie eines Tages überraschen wollte, sich dafür einen Tag Urlaub genommen und einen Tisch in einem indischen Restaurant um die Ecke reserviert hatte (jedenfalls behauptete er das später). Statt mit einem romantischen Mittagessen endete die Pause mit zwei zersplitterten Fensterscheiben, einem blauen Auge für Andreas und zwei fast zertrümmerten Ehen.
    »Nette Familiengeschichte«, schrieb ich.
    Plötzlich musste ich wieder chatten, denn ein Besucher hatte sich angemeldet – genaugenommen ein alter Bekannter: Horst, einer meiner größten Fans. Er war nach eigenen Angaben Mitte vierzig, Blumenverkäufer und hatte eine Eigentumswohnung in Cottbus. Seine geliebte und unersetzliche Freundin hatte ihn zwei Jahre zuvor für einen reichen Bauunternehmer verlassen und war in Brasilien untergetaucht, so dass er alleine auf einem Schuldenberg sitzen geblieben war. Sein einziger Trost waren seine Huskyhündin, die er nach seiner verlorene Liebe Susi getauft hatte, und seine fast täglichen Chat-Besuche.
    »Ich sitze vor dem PC , trinke ein Glas Jack Daniels ohne Eis, halte meinen Schwanz in der Hand und warte, dass du dich ausziehst, meine süße Mascha«, schrieb er.
    Ich tat, als ob ich den ganzen Abend nur auf ihn gewartet hätte, und schmiss mit theatralischer Geste erst meinen BH und dann meinen Slip weg. Sofort rief er auf unserer teuren 0190 -Hotline an. Anscheinend war er durch meinen nackten Anblick wieder mal so geil geworden, dass er seine prekäre Finanzsituation vergessen hatte. Er erwähnte oft, er würde auf meine großen Brüste und meinen südländischen Akzent abfahren.
    »Hallo …«
    Ich erkannte die schüchterne Stimme sofort. Am liebstenhätte ich laut losgelacht. Die Vorstellung, dass dieser arme Mann Hunderte von Euro im Jahr bezahlte, nur um ein bisschen nackte Haut zu sehen und ein paar Beleidigungen am Telefon zu hören, machte ihn für mich zu einer lächerlichen Figur. Er wollte beschimpft werden, er bettelte regelrecht darum, was nicht ganz einfach war, denn nach »Arschloch«, »Hurensohn« und »Dreckspenner« war mein Repertoire ausgeschöpft. Aber er stand jeden verdammten Abend wieder auf der Matte, pünktlich wie ein Schweizer Lokführer, holte sich einen runter, während wir chatteten oder telefonierten, und ging danach schlafen.
    Irgendwann erzählte ich meiner Kollegin Sandra von Horst. Sie war eine ehemalige Lidl-Verkäuferin, wog achtzig Kilo und hatte riesige Brüste, die ihr eigenes Leben führten und ständig aus dem T-Shirt hüpften.
    »Die Leute werden immer bekloppter«, sagte sie. »Für die paar Euro sollten wir uns das nicht antun.« Sie senkte ihre Stimme und murmelte verschwörerisch: »Du bist jung, Mädel, du kannst viel mehr Geld verdienen. Ich habe erst vor kurzem bei einer Begleitagentur aufgehört – na ja, ich bin fast vierzig, Kindchen. Aber ich habe dort gute Zeiten gehabt, und mit deinem Aussehen … Glaub mir, was du hier kriegst, sind Peanuts.«
    Ich mochte Sandra, obwohl ich sie nicht wirklich gut kannte. Sie war kein kicherndes Mädchen mit rosa lackierten
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