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Fucking Berlin

Fucking Berlin

Titel: Fucking Berlin
Autoren: Sonia Rossi
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Fingernägeln wie die meisten anderen Kolleginnen, sondern eine gestandene, direkte Frau. Doch ihren Vorschlag, als Nutte zu arbeiten, fand ich unpassend.
    »Ich könnte so etwas nie machen. Ich liebe meinen Freund und will nur mit ihm Sex haben«, sagte ich mit allem Hochmut, den ich aufbringen konnte.
    Sandra lachte nur.
    »Du wirst schon sehen. Ich hoffe, es wird dir nie passieren,aber irgendwann steckst du im Dreck und brauchst Geld. Und dann ist es dir scheißegal«, sagte sie. »Ich bin ein wenig älter als du. Ich musste zwei Kinder großziehen und mein Ex, der Penner, hat mich im Stich gelassen.«
    Ich vergaß ihre Warnung bald, denn am nächsten Tag bekam ich meinen ersten Lohn als Chat-Girl ausgezahlt – in bar. So viele Hundert-Euro-Scheine hatte ich noch nie auf einmal in der Hand gehabt. Ich war superglücklich, küsste Andreas auf die Wange, wünschte allen einen schönen Tag und ging als Erstes Richtung Einkaufszentrum, wo ich drei Tüten voller Klamotten kaufte. Es war das erste richtige Shoppen seit einem Jahr. Dass ich das Geld mit meinem Körper verdient hatte, störte mich nicht. Das Einzige, was die Männer letztendlich von mir hatten, war ein Bild auf dem Monitor.
    Als ich an diesem Abend nach Hause kam, saß Ladja vor dem Rechner und spielte Autorennen. Seitdem ich so beschäftigt war, verbrachte er die meiste Zeit auf dem Kiez am Nollendorfplatz oder mit unserem Nachbarn Rudy. Rudy war ein Engländer, der den ganzen Tag billiges Bier aus dem Supermarkt trank und auf dem Bett Gitarre spielte. Er komponierte auch selber Lieder, meistens Heavy Metal, und manche seiner Stücke waren gar nicht schlecht. Sie handelten von Gewalt, Straßenleben und Perspektivlosigkeit. Seine Musikerkarriere scheiterte, wie alles andere, an seinem Alkoholproblem. Ladja, der auch nie nein zu einem Bier sagte, wurde bald Stammgast in Rudys Wohnung.
    Wir hatten deswegen manchmal Streit. Ladja fühlte sich alleine, weil ich so selten zu Hause war, ich war frustriert, weil er, wenn ich nachts heimkam, so zugedröhnt war, dass kein Gespräch mehr möglich war.
    Doch an diesem Tag lief alles wie geschmiert. Ich schmiss meine Tasche auf den Boden, zog das Portemonnaie raus und wedelte mit den Scheinen.
    Ladja sagte zuerst nichts. Er hatte sich nur schwer damit abfinden können, dass ich mich für andere Männer auszog, vermied aber das Thema, da er selbst keinen Job hatte und somit auf die Kohle angewiesen war, die ich heimbrachte.
    Wir aßen im chinesischen Restaurant, das sich im Erdgeschoss unseres Wohnhauses befand, gingen danach ins Kino und schauten uns einen Actionfilm an, um schließlich im »Rainbow« in Schöneberg zu enden, einem kleinen, gemütlichen Kifferladen, in dem man mehr als zwanzig Sorten Tee trinken konnte. Der Kellner kannte Ladja noch aus der Zeit, als er gerade aus Polen angekommen war und kein Wort Deutsch sprach.
    »Du hast dich sehr verändert«, sagte er zu Ladja gewandt, aber ich verstand es als Kompliment in meine Richtung. Schließlich hatte ich aus Ladja einen anderen Menschen gemacht. Ich hatte ihn als abgemagerten Straßenjungen kennengelernt, der sich ohne Papiere durchschlug. Jetzt sah er – auch dank der Tatsache, dass ich ihm ein paar neue Kleidungsstücke geschenkt hatte – wie ein netter, attraktiver junger Mann aus, der irgendwo in einem Büro arbeitete und nach der Arbeit mit seiner Freundin zusammen auf dem Sofa saß und fernsah. Und ein bisschen war es ja auch so, dachte ich, als wir an diesem Abend nach Hause fuhren.
    Ich fühlte mich glücklich wie lange nicht mehr. Ich sang unter der Dusche, schäumte mich mit einem Duschgel ein, das nach Kokosnuss und Mango duftete, malte mit dem Finger kleine Herzen auf den beschlagenen Spiegel und ging anschließend ins Bett, wo Ladja und ich uns liebten wie am Anfang unserer Beziehung.
    Ich hatte noch einen weiteren Grund zu feiern, denn mein erster Tag an der Universität stand kurz bevor. Nach einem Jahr Berlin war mein Deutsch nun gut genug, dass ich zum Studium zugelassen war; den Sprachtest hatte ich ohne Problemebestanden. Seit meiner Kindheit war mir eingetrichtert worden, dass ein Studium der einzige Weg sei, um im Leben Erfolg zu haben, und dass man besonders stolz sein konnte, wenn man eine Hochschule besuchte. Ich hatte die Aufnahmeprüfung für den Diplomstudiengang Mathematik bestanden, und wenn alles gutging, würde ich in fünf Jahren meinen Abschluss und einen soliden Job haben. Ich stellte mir vor, wie ich während des
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