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Fucking Berlin

Fucking Berlin

Titel: Fucking Berlin
Autoren: Sonia Rossi
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dass es danach kein Zurück mehr geben würde. Wenn ich bei dem, was ich nun vorhatte, irgendwelche üblen Erfahrungen sammeln würde, würden mich diese mein Leben lang begleiten, das war klar.
    Schließlich nahm ich all meinen Mut zusammen, griff zu meinem Handy und wählte langsam die Telefonnummer. Es meldete sich eine tiefe Frauenstimme. Ich stellte mich als »Nancy« vor – wie schon als Web-Cam-Stripperin wollte ich auch hier nicht meinen echten Namen benutzen. »Nancy« erinnerte mich an eine Figur aus einer blöden Ami-Serie, die ich mit Ladja jeden Abend ansah, in der ein junges Mädchen aus einer reichen, spießigen Familie nach und nach die wahre, gefährliche Welt entdeckt.
    Dann wusste ich erst mal nicht, was ich noch sagen sollte. Meine Gesprächspartnerin war aber sehr nett. Sie erklärte mir, dass es um Ganzkörpermassagen mit »erotischem Abschluss« ging, und versicherte mir, dass ich nicht unbedingt mit den Gästen Sex haben musste. Sie gab mireine Adresse und wir machten einen Termin für den folgenden Tag aus.
    In dieser Nacht schlief ich kaum, weil ich mir ausmalte, was auf mich zukommen würde. Mir kamen fremde, hässliche Männer in den Sinn, die mich anfassten. Immer wieder fragte ich mich, ob ich in der Lage sein würde, das lange auszuhalten. Sich vor einer Kamera auszuziehen war eine Sache, aber richtiger Sex gegen Geld erschien mir fast zu arg. Aber eben nur fast. Schlussendlich blieb ich bei der festen Absicht, es zumindest einmal auszuprobieren.
    Am nächsten Tag verabschiedete ich mich von Ladja und seinem Kumpel, die gerade kifften und Metallica hörten, und gab vor, zur Uni zu gehen.
    Das Haus war unauffällig, ein sanierter Altbau in Neukölln, einem der eher unedleren Berliner Bezirke. »Ekstase« stand auf einem Schild, im Eingang standen Fahrräder und Kinderwagen. Ich traute mich nicht zu klingeln. Ich ging wieder raus auf die Straße, atmete tief durch und rauchte eine Zigarette, die ich aus meinen letzten Tabakkrümeln gedreht hatte. »Knastzigaretten« nannte Ladja diese Art Glimmstängel.
    Der Verkäufer vom gegenüberliegenden Dönerladen beobachtete mich, wie ich nervös den Bürgersteig auf und ab lief. Er grinste. Ich weiß nicht, ob ich mir das nur einbildete, doch ich hatte das Gefühl, dass er genau wusste, weswegen ich hier war.
    Bisher hast du im Leben Glück gehabt, dachte ich. Behütete Kindheit, Mutter Bibliothekarin, Vater Hotelwirt, Gymnasium, Nachmittage mit den Freunden, mit Punk-Musik und heimlichen Zigaretten am Strand. Dass meine Eltern nicht wussten, dass ich rauchte, war lange Zeit das größte Geheimnis gewesen, das ich vor ihnen hatte. Ichkonnte in dem Moment diese Augenblicke meiner Kindheit spüren, als seien sie gestern gewesen. Nun war ich zwanzig und vor anderthalb Jahren von zu Hause weggegangen. Wenn du diesen Laden betrittst, sagte ich zu mir selbst, dann schmeißt du deine ganze Vergangenheit in eine Mülltonne und verlässt einen Weg, der bislang ganz ordentlich verlaufen ist. Willst du das?
    Ja, sagte eine andere Stimme in mir, genau das willst du. Dein Kühlschrank zu Hause ist fast leer, du brauchst Kohle. Damit war ich wieder in der Realität: in Neukölln vor der Tür eines sogenannten Massagesalons.
    Ich klingelte. Es dauerte eine Weile, dann öffnete eine zierliche, blonde Frau. Sie war barfuß und hatte sich in ein Tuch mit Elefantenmuster eingewickelt, wie eine Inderin.
    »Tschuldigung fürs Warten, ich war beschäftigt«, flüsterte sie und strich sich mit der Hand durch die Haare. Hinter ihr sah ich einen Schatten, der in einer Tür verschwand.
    Sie führte mich bis zum Ende eines langen Flurs. »Das ist unser Aufenthaltsraum«, sagte sie. Es handelte sich um eine ganz normale Küche mit weißen Fliesen. In den Regalen standen Kaffee- und Zuckerdosen. Im Hintergrund lief New-Age-Entspannungsmusik vom CD -Player. Wie ein Yogastudio, dachte ich. Vielleicht war dieses Gewerbe ja viel netter, als ich geglaubt hatte. Aber dann fiel mein Blick auf eine voluminöse Frau Anfang vierzig, die am Tisch saß und Geldscheine zählte. Sie stellte sich als Nora vor und drückte kräftig meine Hand, während sie mich von oben bis unten musterte.
    »Du bist ja eine ganz Süße«, stellte sie fest. »Wenn du dich nicht besonders doof anstellst, kannst du hier richtig gut verdienen.«
    Sie erklärte mir den Job. Erotische Massagen: Der Mann ist nackt, du bist nackt und du massierst seinen Körper mitÖl und dann seinen Schwanz, »bis zum
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