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Freibeuter der Leidenschaft

Freibeuter der Leidenschaft

Titel: Freibeuter der Leidenschaft
Autoren: Joyce Brenda
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1. Kapitel
    King’s House
    20. Juni 1820
    Er war bekannt als der bedeutendste Freibeuter und Gentleman seiner Zeit, eine Auszeichnung, die ihn immer wieder belustigte. Freibeuter und Gentleman waren zwei Wörter, die niemals im selben Atemzug genannt werden konnten, selbst wenn er für diese Regel die Ausnahme bildete. Clive de Warenne, dritter und jüngster Sohn des Earl of Adare, betrachtete mit ernstem Gesicht den neu errichteten Galgen. Zwar stimmte es, dass er bisher noch nie eine Schlacht verloren hatte, doch er nahm den Tod nicht auf die leichte Schulter. Seiner Einschätzung nach hatte er bereits mindestens sechs Leben verbraucht, und er hoffte, dass ihm noch mindestens drei blieben.
    Eine Hinrichtung lockte immer viele Menschen an. Jeder Schurke, jeder Pflanzer, jede Dame und jede Hure, alle kamen sie in die Stadt, um den Piraten hängen zu sehen. Morgen würden ihnen Vorfreude und Aufregung den Atem rauben. Es würde Applaus geben, wenn das Genick des Piraten mit einem Knacken brach, und Jubel.
    Clive war ein hochgewachsener, breitschultriger Mann mit braunem, ein wenig zu langem Haar, das von der Sonne gebleicht war. Er besaß die leuchtendblauen Augen, für die die Männer der Familie de Warenne berühmt waren. Mit seinen hohen Stiefeln, einer hellen Hose aus Hirschleder und dem feinen Leinenhemd war er lässig gekleidet, doch er war schwer bewaffnet. Selbst wenn er sich in der guten Gesellschaft bewegte, trug er stets einen Dolch im Gürtel und ein Stilett im Stiefel, denn er hatte sich sein Vermögen nicht mühelos verdient und sich dabei eine Reihe von Feinden gemacht. Außerdem hatte er auf den Inseln keine Zeit für Mode.
    Clive wusste, dass er im Begriff war, zu spät zu seiner Verabredung mit dem Gouverneur zu kommen. Aber einige nach der neuesten Mode gekleidete Damen betraten gerade den Platz, und eine davon war eine hinreißende Schönheit. Sie warfen ihm Blicke zu und flüsterten aufgeregt miteinander. Er sah, dass sie unterwegs zu dem Gerüst waren, um den Ort zu begutachten, an dem morgen die Hinrichtung stattfinden sollte. Unter gewöhnlichen Umständen würde er sich eine für das Bett aussuchen, doch ihm entging nicht, wie sensationslüstern sie waren, und er fühlte sich davon abgestoßen.
    Der imponierende Eingang zu King’s House lag direkt hinter ihm, als er die drei Frauen vorüber und zu dem Richtblock gehen sah. Die Faszination, die er auf die Damen der ton und der Inselgesellschaft ausübte, kam ihm sehr gelegen, denn wie alle Männer der Familie de Warenne war er den Freuden der körperlichen Liebe ausgesprochen zugetan. Die Blonde erkannte er wieder, sie war die Frau eines Pflanzers, den er gut kannte. Die dunkle Schönheit hingegen war zweifellos neu auf der Insel. Sie lächelte ihn an, wusste offensichtlich, wer und was er war, und ebenso offen bot sie ihm ihre Gunst an, sollte er sich entschließen, ihrer zu bedürfen.
    Doch das tat er nicht. Er nickte ihr höflich zu, und sie hielt seinem Blick stand, ehe sie sich abwandte. Er war ein Adliger und ein angesehener Kaufmann – wenn er nicht gerade Kaperbriefe akzeptierte –, aber ihm haftete der Ruf an, ein Frauenheld und Vagabund zu sein. Eine besonders leidenschaftliche Geliebte hatte ihn sogar einen Freibeuter genannt. Tatsächlich war er zwar als Gentleman erzogen worden, doch er war in Spanish Town mehr zu Hause als in Dublin, mehr in Kingston als in London, und er machte daraus kein Geheimnis. Wenn er mitten im Kampf an Deck eines Schiffes stand, konnte vermutlich kein Mann ein Gentleman sein. Das würde seinen Tod bedeuten.
    Aber was die Leute sagten, hatte ihn nie gekümmert. Er hatte sein Leben genau so eingerichtet, wie er es haben wollte, ohne die Hilfe seines Vaters, und er hatte sich den Ruf erworben, einer der größten Herren der Meere zu sein. Obwohl er sich immer nach Irland gesehnt hatte, dem schönsten Ort auf Erden, war ihm die Freiheit am wichtigsten. Selbst auf dem Familiensitz des Earls, umgeben von der Familie, die er liebte, war ihm bewusst, dass er seinen Brüdern so gar nicht ähnlich war – dem Erben und dessen potenziellen Ersatz. Verglichen mit seinen heimatverbundenen Brüdern war er wirklich ein Freibeuter. Die vornehme Gesellschaft warf ihm vor, anders zu sein, exzentrisch und ein Außenseiter, und sie hatte recht.
    Kurz bevor Clive kehrtmachte, um King’s House zu betreten, gesellten sich zwei weitere Damen zu dem Trio, die Menge auf dem Platz wurde immer größer. Ein Gentleman, in dem er
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