Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fucking Berlin

Fucking Berlin

Titel: Fucking Berlin
Autoren: Sonia Rossi
Vom Netzwerk:
gegenüberliegende Haus, wo eine große, rote Schrift von einem Fenster zum anderen reichte: »Fuck the USA «.
    Mein Magen war durcheinander und der Geruch von gegrilltem Fleisch, der von einer Dönerbude zu uns herüberwaberte, machte es nur noch schlimmer.
    Wir stiegen zusammen in die S-Bahn Richtung Westen. Am Bahnhof Zoologischer Garten stieg er aus. Er verabschiedete sich von mir und tauchte ab in seine Welt, die mir jetzt furchtbar unheimlich war.
    Bis zum Beginn des ersten Semesters waren es zu dem Zeitpunkt noch zehn Monate. Ich war nach Berlin gekommen, um eine ganz normale Studentin zu werden. Nun war ich die Freundin eines polnischen Jungen, der als Stricher arbeitete. Damals konnte ich mir noch nicht vorstellen, dass ich mich eines Tages selbst in diesem Milieu bewegen würde und wie klein dieser Schritt, oder besser, die vielen Schritte sein würden, die zwischen dem Leben einer ehrgeizigen Abiturientin und dem einer Hure lagen.

2
EROTIK-CHAT
    Ich bin weder als Nutte geboren, noch habe ich in meiner Kindheit davon geträumt, eine zu werden. So ist es bei allen Frauen, die ich kenne, die diesen Job machen oder gemacht haben. Damals, als ich neu in Berlin war und total in Ladja verknallt, hätte ich nie daran gedacht, jemals für Geld mit Männern ins Bett zu gehen. Die Tatsache, dass mein eigener Partner anschaffen ging, machte mich am Anfang schier verrückt, so dass ich ihm sehr bald ein Ultimatum stellte: entweder ich oder sein Job. Er entschied sich für mich – und wenig später war ich es dann, die ihren Körper für Geld anbot.
    Bis zu meinem zwanzigsten Lebensjahr waren meine Berührungspunkte mit der Prostitution gleich null. Bei Ausflügen in die Stadt sah ich Huren, die am Bahnhof für sich warben und von den Leuten halb missbilligend, halb gleichgültig betrachtet wurden. Oder voller Geilheit – schließlich stammten die meisten ihrer Kunden aus den adretten Häusern unserer Gegend. Meine Eltern vermieden das Thema zu Hause fast gänzlich, nur manchmal ließen sie abfällige Kommentare über die Prostituierten fallen.
    Ich hielt diese Frauen, die ich nur von sehr weit anschauen durfte, immer für merkwürdige und zugleich reizende Wesen. Mit ihren langen Mähnen und Kniestiefeln,den langen, zur Schau gestellten Beinen und den rotgeschminkten Lippen sahen sie ganz anders aus als die meisten unserer Mütter. Erst als ich älter wurde, sah ich ihre müden und einsamen Blicke, die mich ahnen ließen, dass sie vielleicht gar nicht so unnahbar und cool waren, wie ich als Kind geglaubt hatte. Natürlich hätte ich nie eine von ihnen angesprochen. Es hieß, sie seien alle drogenabhängige oder verschleppte Frauen aus Osteuropa und Afrika, die für brutale Zuhälter arbeiteten. Nur Transsexuelle fanden meine Freunde und ich lustig. Wir fuhren gerne zu zweit mit dem Roller an ihnen vorbei und schrien den Freiern in ihre halbgeöffneten Autofenster: »Das erzähle ich deiner Frau!«
    Während meiner ersten Zeit in Berlin war ich genauso ahnungslos, wie ich es in Italien gewesen war – so lange, bis ich Ladja kennenlernte. Trotzdem war ich mir selbst da zunächst noch sicher, dass für mich so etwas nie in Frage kommen würde. Immerhin konnte man auch mit normalen Jobs seinen Unterhalt bestreiten, oder nicht?
    Genau das versuchten Ladja und ich am Anfang unserer Beziehung. Zusammen mit Tomas fingen wir an, in einer Disko im Prenzlauer Berg zu arbeiten. Die Jungs hatten beide keine Aufenthaltsgenehmigung, deshalb waren sie bereit, für einen Hungerlohn die Drecksarbeiten zu erledigen, die kein anderer machen wollte. In diesem Fall schleppten sie Getränkekisten, füllten Kühlschränke und räumten leere Flaschen von der Tanzfläche. Ich war für die Toiletten zuständig. Die Bezahlung war mies, doch das Trinkgeld meistens so gut, dass Ladja und ich davon leben konnten. Wir hatten eine Menge Spaß, klauten Sekt aus den Lagerräumen und tranken ihn auf den Toiletten. Morgens um neun oder um zehn frühstückten wir dann mit dem ganzen Team des Clubs und fuhren anschließend halbbesoffen nach Hause, wobei wir oft schon in der S-Bahn einschliefen.
    Irgendwann weigerte sich der Chef, ein dicker Biker mit rasiertem Schädel, uns zu bezahlen. Eine Klage kam nicht in Frage, da Ladja und Tomas ja keine Arbeitsgenehmigung hatten. Rumnerven war zu gefährlich, weil der Besitzer über hundert Kilo wog und ein paar Rocker hinter sich hatte, die kein Problem damit gehabt hätten, uns alle totzuschlagen und in
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher