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Fuck

Fuck

Titel: Fuck
Autoren: Kooky Rooster
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nicht.
    Ich war nicht der Typ, der verfrüht zu einem Arzt ging, wartete immer viel zu lange, ging oft erst dann, wenn es bereits erste Komplikationen gab. Ich wusste, warum meine Augen geschwollen waren, dass das nichts mit einer Bindehautentzündung zu tun hatte, sondern mit der trotzigen Weigerung zu blinzeln. Dennoch, angetrieben von Leos Sorge rief ich den Betriebsarzt an und vereinbarte einen Termin noch für den Vormittag.

– Beim Herrn Doktor –
    Hässliche Socken spannten sich um dicke Zehen, die in ledernen Sandalen arhythmisch wackelten. Der Betriebsarzt hatte eine psychologische Zusatzausbildung, um die üblichen seelischen Wehwehchen der Mitarbeiter, die da wären: Depressionen, Burn-out oder Alkoholmissbrauch, zu behandeln.
    Und er hatte einen unerträglichen Kleidergeschmack.
    Von seinen fusseligen Socken aufwärts kleideten ihn eine kastanienbraune Cordhose, ein Strickpullover mit großen Mustern, eine digitale Armbanduhr aus den Achtzigern und eine Brille mit dickem Rahmen. Abgerundet wurde seine Erscheinung durch einen unregelmäßig wuchernden Vollbart und fettiges, spärliches Haar. Er wirkte eher wie der Musiklehrer aus einer Waldorfschule, ein verkappter Priester, der
'irgendwas mit Menschen'
hatte machen wollen, nachdem ihm das Keuschheitsgelübde zum Verhängnis geworden war.
    Seit ein paar Minuten klickte er quälend holprig auf seiner Tastatur herum, nachdem er sichergestellt hatte, dass ich an keiner Bindehautentzündung litt. Jetzt interessierte ihn, wie es dazu gekommen war, zu selten zu blinzeln, aber vorher noch, so erklärte er gedankenverloren, musste er die Daten eingeben. Obwohl er ununterbrochen in meine digitale Akte starrte, vergaß er ständig meinen Namen.
    „Also, Herr …!“, nahm er den letzten Gesprächsfaden auf, denn der war schon vor Minuten den Wollmäusen zum Opfer gefallen.
    „Bach“, erklärte ich, „Simon Bach.“
    „Richtig, Herr Bach, nun sagen Sie schon, was haben wir auf dem Herzen?“
    Sollte ich ihm wirklich von diesem Traum erzählen, und dass sich auf meinem Augenlid der Anblick von einem Roboter eingebrannt hatte, der es mit jenem Kollegen trieb, in den ich seit Wochen so heimlich wie unsterblich verknallt war wie ein Schulmädchen? Dass ich es vorzog, gebrechlichen Damen Angst zu machen, anstatt Leo auch nur anzusehen?
    Außerdem hatte der Arzt vermutlich auch Leos Patientenakte. Leo sollte ich nicht erwähnen.
    Bevor ich mich zu einem liebeskranken Idioten machte, machte ich mich zu einem psychisch kranken Idioten. Das ist das Prinzip von Idioten.
    „Ich glaub, ich hatte gestern eine Halluzination“, stellte ich in den Raum. Die Augen des Arztes glitten kaum merklich nach außen ab, zuckten aber rasch wieder in mein Gesicht zurück.
    „War es das erste Mal, oder haben Sie das öfter?“
    „Das erste Mal, glaube ich“, nuschelte ich und blinzelte leicht debil.
    Der Blick des Arztes ruhte ungemütlich lange auf meinem Gesicht. Der Moment dehnte sich bis ins Unerträgliche aus. Seine Pupillen zitterten leicht. Die Uhr tickte. Er starrte. Sie tickte rückwärts. Er starrte noch immer.
    „Haben Sie jetzt gerade Halluzinationen?“
    „Falls Sie
echt
sind, Herr Doktor, dann nicht.“ Er hatte es provoziert!
    Trübe Augen, die Alles und Nichts gesehen hatten, starrten mich lange und verständnislos an, als wäre ich das traurigste Geschöpf, das dem Arzt je unter die Augen getreten war.
    „Nein“, gab ich kleinlaut zu und fixierte die knolligen Zehen in seinen Sandalen.
    „Was haben wir denn gesehen?“, fragte er und die gnadenlose Aufmerksamkeit war vorerst vorüber. Er kippte, wie ein Gebirgsmassiv, wieder Richtung Bildschirm und bewegte langsam die Maus, klickte in unregelmäßigen Abständen.
    Ich hielt inne, wartete ab, bis er sich mir wieder zuwenden wollte.
    „Reden Sie nur, ich höre zu …“, forderte er mich sanft, wenn auch zerstreut, auf.
    Und so erzählte ich von meiner Begegnung mit Fuck. Ich beschrieb den Roboter liebevoll in all seinen Details, zitierte unser Gespräch, erzählte, durch welche Umstände er angeblich in mein Badezimmer gekommen war. Der Arzt hatte mir zwar ein Ohr, zumindest rein physisch, zugewandt, aber es wirkte nicht so, als ob er mich auch hören würde. Auf seiner Brille spiegelte sich der Monitor. In der Mitte des hellen Quadrats reflektierte ein verdächtig grünes Fenster. Spielte er etwa Solitär, während ich ihm von meinem traumatischen Erlebnis letzte Nacht erzählte?
    „Außerdem hatte er
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