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Frostfluch: Mythos Academy 2 (German Edition)

Frostfluch: Mythos Academy 2 (German Edition)

Titel: Frostfluch: Mythos Academy 2 (German Edition)
Autoren: Jennifer Estep
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Haut verkratzten, dann griff ich mit der anderen, ungeschützten Hand nach dem Notizbuch.
    Die Bilder schlugen über mir zusammen, kaum dass meine Finger den roten Einband berührten.
    In meinem Kopf erschien ein Bild von Oliver. Der Spartaner beugte sich über den Schreibtisch in seinem Zimmer und schrieb in das Notizbuch. Ein Bild nach dem anderen blitzte in mir auf und zeigte mir eine verdichtete, hochauflösende Vision von Oliver, der entweder vor sich hin kritzelte, malte oder wie wild in sein Notizbuch schrieb. Nach ein paar Sekunden kamen die Gefühle hinzu. All die Dinge, die Oliver beim Schreiben gefühlt hatte. Die dumpfe Langeweile während der Hausaufgaben, die genervte Frustration, während er sich bemühte, einige der komplizierten Aufgaben zu verstehen, und dann, überraschenderweise, ein weiches, träumerisches Kribbeln, das meinen ganzen Körper erwärmte …
    »Was tust du da? Das gehört mir!«, blaffte Oliver mit harter Stimme.
    Ich schüttelte die Bilder und Gefühle ab und sah hoch. Der Spartaner ragte über mir auf, und seine Miene war hart und verkniffen.
    »Tut mir leid«, blaffte ich zurück. »Ich konnte ja nicht ahnen, dass einem gestandenen Kerl wie dir sein Notizblock so wichtig ist. Was steht denn so Supergeheimes drin? Eine Liste aller Mädchen, mit denen du geschlafen hast? Lass mich raten. Du willst nicht, dass ich erfahre, mit wem du schon was hattest. Du willst es lieber allen selbst erzählen, wie es die Kerle auf Mythos eben tun – lauthals mit Eroberungen prahlen ist in, richtig?«
    Bei meinen Worten wurde Oliver tatsächlich bleich. Wirklich. Er wurde vor lauter Entsetzen weiß wie die Wand. Für eine Sekunde fragte ich mich, warum, aber dann wurde mir klar, dass er wahrscheinlich von meiner Psychometrie gehört hatte – von meiner Magie.
    Ich war keine Kriegerin wie die anderen Schüler auf Mythos – zumindest nicht wirklich. Aber trotzdem war ich nicht vollkommen unbegabt. Ich war eine Gypsy, eine Person, die von einem der Götter mit Magie beschenkt worden war. In meinem Fall war diese Magie Psychometrie, also die Fähigkeit, ein Objekt zu berühren und sofort seine Geschichte zu wissen, zu sehen und zu fühlen.
    Meine Gypsygabe, meine Psychometrie, war in Wahrheit ein wenig cooler – und um einiges beängstigender –, als diese Beschreibung vermuten lässt. Nicht nur konnte ich sehen, wer ein Armband getragen oder ein Buch gelesen hatte, egal, wie lange es schon her war – ich konnte auch die Gefühle der betreffenden Person erspüren. Alles, was sie gedacht, gefühlt und wahrgenommen hatte, während sie das Armband getragen oder das Buch gelesen hatte. Manchmal, wenn die Verbindung zu dem Gegenstand stark genug war, konnte ich sogar alles sehen, was die Person in ihrem gesamten Leben gefühlt, gesehen oder getan hatte. Ich wusste, ob eine Person glücklich oder traurig gewesen war, böse oder gut, klug oder dumm, und noch tausend Dinge mehr.
    Meine Magie verriet mir die Geheimnisse anderer Leute – ließ mich all die Dinge sehen und fühlen, die sie vor anderen und manchmal sogar vor sich selbst versteckten. All ihre widersprüchlichen Gefühle, all ihre verschlagenen Taten, alles, was sie sich in den finstersten, dunkelsten Teilen ihres Herzens je ausgemalt hatten.
    Vielleicht war es ja krank und verdreht, aber ich mochte es, die Geheimnisse anderer zu kennen. Ich mochte die Macht, die dieses Wissen mir verlieh, besonders da ich vollkommen ohne die abgefahren coolen Kampffähigkeiten der anderen Schüler von Mythos dastand. Die Geheimnisse anderer zu lüften war eine Art Leidenschaft von mir – eine, die mich vor ein paar Wochen fast umgebracht hätte.
    Außerdem war sie der Grund dafür, dass ich Olivers Notizbuch noch in der Hand hielt. Die Langeweile und den Frust hatte ich erwartet. Das waren Gefühle, die ich schon unzählige Male empfangen hatte, wenn ich die Blöcke, Computer, Stifte und all die anderen normalen Gegenstände angefasst hatte, die man für die Schule eben so brauchte.
    Aber dieses warme, weiche, kribbelige Gefühl? Eher nicht. Ich wusste allerdings, was es war – Liebe. Oder zumindest echte Zuneigung. Oliver Hector stand schwer auf jemanden. Genug, um etwas über diese Person in sein Notizbuch zu schreiben. Und ich wollte wissen, wer es war. Denn, na ja, Geheimnisse waren so eine Art Droge für mich.
    Ich konzentrierte mich wieder auf das Notizbuch und auf dieses warme, hoffnungsvolle Gefühl. Sofort stieg ein verschwommenes Bild vor meinem
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