Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fronttheater

Fronttheater

Titel: Fronttheater
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
Abwehrfeuer.
    Automatisch faßt Doelles nach dem MG-Gurt und führt Munition in den Lauf.
    Ein Russe stolpert durch das Drahthindernis.
    Im Laufen zieht er eine Handgranate ab. Sie explodiert mit hellem Krachen zehn Meter links von ihnen.
    Aus dem Nachbartrichter ein gellender Schrei.
    »Das ist Arnold«, murmelt Doelles.
    »Diese Schweine!« Müller zieht den Abzug durch und ballert hinter den sich schon wieder zurückziehenden Russen her.
    Der Angriff ist zusammengebrochen.
    Der Verwundete schreit noch immer.
    Vorsichtig schiebt sich Doelles über den Trichterrand, robbt über das deckungslose Gelände.
    Dicht vor ihm krepiert eine Granate. Heulend fegen glühende Splitter über ihn hinweg. Hartgefrorene Erdbrocken regnen auf seinen Stahlhelm.
    Eine endlose Minute später läßt er sich in Arnolds Trichter gleiten. »Arnold?«
    Der Verwundete antwortet nicht. Sein Atem kommt in flachen, röchelnden Stößen.
    Doelles zieht ein Verbandspäckchen heraus. Aber er weiß nicht, wo er mit dem Verbinden anfangen soll. Das Blut sickert aus einem Dutzend Wunden.
    Doelles packt den Verwundeten unter der Achsel, zerrt ihn aus dem Loch.
    »Der muß sofort zum Hauptverbandsplatz«, sagt Müller, »sonst ist er hin.«
    Doelles sieht zurück, Richtung Dabuscha. Das Gebiet liegt ständig unter Granatwerferbeschuß.
    »Melde mich ab!« sagt er zu Müller und packt den bewußtlosen Verwundeten. »Mach's gut!«
    »Mach's besser!« sagt Müller, und dann flüstert er nur noch: »Selbstmord!«
    Obergefreiter Jupp Doelles stolpert, rutscht und kriecht durch die russische Steppe. Alle paar Meter muß er den verwundeten Arnold loslassen und auf den Boden legen, um sich zu verschnaufen, um neue Kräfte zu sammeln.
    »Wie weit noch?« fragt Arnold, der wieder zu sich gekommen ist, stöhnend.
    »Siehst du da hinten die dunklen Dinger?« keucht Doelles. »Das ist Dabuscha. Da ist ein Doktor. Der flickt dich wieder zusammen.«
    Arnold sieht nichts. Seine Augen sind vor Schmerzen zusammengepreßt. Er versteht nur ›Dabuscha‹ und ›Doktor‹ und läßt sich dankbar von Doelles wieder packen und weiterschleifen.
    »Mach bloß keinen Quatsch und stirb mir nicht«, murmelt Doelles keuchend. »Nur noch ein paar hundert Meter – mach bloß keinen Quatsch!«
    Die Lazaretträume in Dabuscha reichten nicht mehr aus. Sogar halbzerschossene Katen des Dorfes waren mit Verwundeten vollgestopft.
    Vor drei Wochen, zu Stalins Geburtstag, am 20. Dezember, hatte die Winteroffensive der Russen begonnen. Seitdem brachten LKWs und Sankas pausenlos Verwundete und Erfrorene nach Dabuscha.
    Stabsarzt Sorensen operierte in der großen Halle, in der vor sechs Wochen Fritz Gartens Theatertruppe den verunglückten ›Faust‹ gespielt hatte.
    »Der nächste Herr!« Sorensen blinzelte aus müden Augen seinem Assistenten zu. »War nicht als Scherz gedacht. Komme mir wirklich wie ein Fließbandarbeiter vor.«
    Unterarzt Dr. Berthold, seit zwei Wochen Sorensens Assistent, nickte zustimmend. Er war zu müde, um etwas zu sagen.
    Ein neuer Verwundeter wurde für eine Amputation vorbereitet. »Wieviel Pervitin futtern Sie eigentlich so pro Tag?« fragte Sorensen seinen Unterarzt.
    Berthold zuckte mit den Schultern. »Hab' es aufgegeben«, sagte er, »auch das nützt nichts mehr.«
    Sorensen konzentrierte sich wieder auf sein vielleicht tausendstes ›Opfer‹ in diesen letzten drei Wochen.
    »Säge!« sagte er zu dem Sanitätsunteroffizier.
    Mit häßlichem Knirschen durchtrennte die Säge einen Knochen. Der Unterarm polterte vom Tisch auf den Boden.
    »Naht!«
    Unterarzt Dr. Hans Berthold sah vor lauter Augenflimmern kaum noch, wie er die Knoten schlang. Automatisch wie eine eingestellte Maschine setzte er die Ligaturen.
    »Kein Puls mehr«, sagte der Sanitätsfeldwebel, der die Narkose überwachte.
    Dr. Sorensen ließ die Instrumente sinken. Mit einem leisen Stöhnen fuhr er sich über die rotgeränderten Augen.
    »Erfroren für Führer und Volk«, murmelte er, als er sich auf einen Stuhl fallen ließ.
    »Auch dieser Winter geht vorbei«, sagte Dr. Berthold.
    »Das wird dem armen Kerl ein großer Trost sein.« Dr. Sorensen zeigte auf den Toten. »Wie wär's mit einer Pause?« fragte er den Feldwebel.
    Aber dann sah er Doelles und einen Sanitäter. Sie trugen den verwundeten Arnold herein und legten ihn auf den OP-Tisch.
    »Im Frühjahr sind alle Opfer vergessen«, sagte Dr. Berthold, als er seine Hände in Sagrotanlösung sterilisierte. »Bis dahin haben wir den Krieg
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher