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Fronttheater

Fronttheater

Titel: Fronttheater
Autoren: Heinz G. Konsalik
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›Kleinen‹.« Garten hob sein Glas.
    »Menschenskind, fast hätte ich was vergessen.« Walter Meyer kramte in seinen Taschen, förderte schließlich einen zerknautschten Brief zutage.
    »Der Doelles hat mir geschrieben«, verkündete er und fuhr mit dem Finger über das Blatt. »Also, weil er nicht kommen kann, sollen wir alle über Ostern zu ihm ins Tessin fahren. Weil doch seine Tochter Erika konfirmiert wird.«
    »Ach ja, Fritz, bitte.« Erika küßte ihren Mann auf die Wange. Ihre Augen konnten noch so unwiderstehlich betteln wie damals, als sie noch beim Fronttheater waren.
    Garten schüttelte in komischer Verzweiflung den Kopf.
    »Natürlich fahren wir«, bestimmte Sonja kategorisch. »Ostern im Tessin, Kinder. Das wird herrlich!« Sie wurde plötzlich ernst. »Sag mal, der Doelles hat doch einen Elektrogroßhandel, nicht?« Sie stupste Walter Meyer den Zeigefinger auf die Brust. »Ich brauche einen neuen Kühlschrank. Und einen Kombiherd. In den neuen Pastellfarben, weißt du?«
    Meyer zuckte die Achseln. »Na gut«, murmelte er ergeben. Mit einem etwas verlegenen Lächeln wandte er sich an Garten. »Ist doch gut, daß meine Sonja sich um alles kümmert, nicht?«
    Garten zwinkerte ihm fröhlich zu. »Laß man, Junge, mir geht's auch nicht viel besser.«
    Walter Meyer nickte und schwenkte den Whisky in seinem Glas. »Hat sich verdammt viel verändert seit damals, was?« sagte er. »Weißt du noch …?«
    Fritz Garten nickte mit einem leisen Lächeln. Es war plötzlich alles wieder lebendig: die endlosen Fahrten über schlammige russische Straßen, die Aufführungen vor einer Horde abgekämpfter, abgerissener Landser.
    »Was ist eigentlich aus dem Spieß Müller geworden?« fiel ihm plötzlich ein.
    Walter Meyer grinste. »Hab ich dir das nicht geschrieben? Der ist Buchhalter.«
    »Buchhalter?«
    »Ja. Im Tessin. Bei Doelles.«
    »Ach, du lieber Himmel«, murmelte Erika entgeistert. »Da sind wir ja alle wieder zusammen.«
    »Bis auf Irene und Kramer«, sagte Sonja leise.
    »Von denen habt ihr auch nichts gehört?«
    Sonja schüttelte den Kopf.
    »Irenes Mutter ist noch kurz vor Kriegsschluß umgekommen. Fliegerbomben. Vielleicht sind sie noch am Leben, die beiden.« Sie fuhr sich nachdenklich über die Stirn. »Sie können ja auch in Rußland geblieben sein. Vielleicht leben sie sogar hier. Ein paar Straßen weiter. Und wir wissen es nur nicht.«
    Garten nickte. »Es ist gut, wenn man sich manchmal daran erinnert, wie viele Menschen damals ihr Leben geben mußten.« Er starrte auf die leere Hülle seines Ärmels. Sie war aus erstklassigem englischen Tuch. Aber sie war genauso leer und schlaff wie der Ärmel der Einheitsjacke, die er damals trug, im Krieg.
    »Es ist im Leben wie auf der Bühne: Das Publikum lacht häufig an den falschen Stellen. Und den stärksten Applaus haben oft die, die am lautesten deklamieren. Aber das werden wir wohl nie ändern.«
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