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Frohes Fest!

Frohes Fest!

Titel: Frohes Fest!
Autoren: Wolfgang Jeschke (Hrsg)
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könnte ich etwas Wichtiges in Erfahrung bringen.
    Stunden vergingen, und die Lampe erlosch. Ich hoffte, daß der Yeti sich meiner Anwesenheit erinnerte, bevor ich verhungert war, aber ich kannte seine Spezies gut genug, um zuviel zu erwarten. Mein Hungertod würde ihn lediglich köstlich amüsieren, und vielleicht würde er darüber eines der brummigen und dreckigen Lieder über mein Ableben schreiben, wie es bei seiner Art üblich war. Mich selbst amüsierte dieser Gedanke mitnichten, aber im Augenblick konnte ich dagegen auch nichts unternehmen.
    Als ich da so völlig ruhig lag, glaubte ich, durch den Schlitz in der Wand ein Atmen zu vernehmen. Schnarchen? Ich horchte eine ganze Weile genau hin und war schließlich überzeugt davon. Das klang genauso wie die Geräusche, die mein Großvater von sich gegeben hatte, wenn er bei seinem Nickerchen nach dem Essen Luft durch den Bart blies.
    Hatte man mich etwa in die Zelle direkt neben den Entführten gesteckt? Vielleicht sprach der alte Knabe im Schlaf! Dann seufzte ich auf. Solch ein Glück wäre geradezu unglaublich. In meinem Metier lernst du, nicht auf das Glück zu vertrauen, sonst fällst du zu häufig auf die Schnauze.
     
    Dann mußte ich selbst eingeschlafen sein, denn ich fand mich plötzlich in völliger Dunkelheit wieder. Einen Moment lang war ich vollkommen durcheinander, bis ich mich wieder daran erinnerte, was eigentlich Sache war. Irgendetwas hatte mich geweckt, und während ich versuchte herauszufinden, was das gewesen sein konnte, vernahm ich plötzlich aus der Nachbarzelle das unterdrückte Gemurmel zweier Stimmen. Die höhere der beiden hatte so etwas Gereiztes an sich, das mich an meine Kindheit erinnerte, wenn an mir rumgemeckert wurde.
    Ich stellte mich direkt unter den schmalen Schlitz und strengte mein Gehör aufs äußerste an.
    »… und du hättest es wissen müssen! Nichts dauert ewig, besonders nicht solche krummen Dinger, wie du sie in den letzten drei oder vier Jahrhunderten gedreht hast.« Das war die ein bißchen zittrige Stimme einer Frau, und vor meinem inneren Auge tauchten die Bilder von Frau Weihnachtsmann auf, ein rundgesichtiges, plumpes und fügsames Muttchen. Offenbar waren diese Bilder nicht ganz zutreffend, wenn es sich hier tatsächlich um besagte Dame handelte, die zusammen mit ihrem Ehegemahl eingekerkert war.
    Ein tiefes Poltern folgte. »Es gab keinen Grund anzunehmen, daß so etwas passieren könnte! Diese verdammten Elfen – ich hätte schon längst dazu übergehen sollen, Gnome zu beschäftigen. Sie mögen zwar nicht die Handwerker sein wie die Elfen, aber man kann mit ihnen wesentlich leichter umgehen.«
    »Und du glaubst tatsächlich, die Welt wäre dir nie auf die Schliche gekommen?« Ihre Stimme klang mehr als skeptisch. »Du kannst einen Vertrag nicht zu sehr strapazieren, ohne daß er in die Brüche geht, Manne. Ich gebe ja zu, daß die Kirche abbruchreif war. Die Moral war zum puren Hedonismus degeneriert, auf den man etwas Humanität geschmiert hatte, damit er besser aussah. Die Zeit war reif für den Materialismus. Aber warum hast du dich mit dem Kerl eingelassen? Mein Gott! Du hättest wissen müssen, daß er dich wie eine heiße Kartoffel fallenlassen würde.«
    Ich lehnte mich gegen die Mauer und atmete ganz flach, damit man mich drüben nicht hören konnte. Ihn? Das konnte nur heißen, daß der Weihnachtsmann, Schutzpatron der Kinder, sich mit dem Dunklen Engel verbündet hatte! Mich schauderte bei dem Gedanken an all die Geschenke, die er die Jahre über bei mir zurückgelassen hatte. Und dann schauderte mich stärker. Jedes einzelne dieser Geschenke hatte dazu beigetragen, daß die Habgier bei jung und alt ständig wuchs.
    Der Weihnachtsmann ergriff wieder das Wort. »Und wie, stellst du dir vor, hätte selbst ein Unsterblicher ihn aus etwas heraushalten sollen, an dem er größtes Interes se hat? Mein Gott, Frau! Ich habe übrigens nicht mitbekommen, daß du zu ihm gesagt hättest: ›Nein danke, wir möchten mit Ihnen lieber nichts zu tun haben, Herr Luzifer. Tut uns leid, und leben Sie wohl …‹«. Es gelang ihm, einen solch gezierten Ton in seine Stimme zu legen, daß ich beinahe kichern mußte.
    Bevor er weitersprechen konnte, hörte ich das Geräusch von Yeti-Füßen, die über den steinernen Boden des Korridors schlurften. Wiederum flackerte Licht durch die Schlitze meiner Tür, obwohl ich aus dem Einfallswinkel schließen konnte, daß er sich am anderen Ende der Zellenreihe aufhielt. Türen
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