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Frohes Fest!

Frohes Fest!

Titel: Frohes Fest!
Autoren: Wolfgang Jeschke (Hrsg)
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Forderungen an die UNO gestellt hatten. Überarbeitung kann gefährlich werden, wenn sie zu lang dauert.
    Nein, meine ›Brüder‹ würden mich schon willkommen heißen, und ich könnte sofort mit der Arbeit beginnen, wenn alles nach Plan liefe.
    Natürlich tat’s das nicht.
    Der Eskimo, bei dem ich meinen Schlitten und das Gespann erstand, hätte einen perfekten Gebrauchtwagen-Händler in jenen Tagen abgegeben, als diese archaische Reisemethode ihren Höhepunkt erreicht hatte. Der Schlitten war ganz passabel, obgleich abgenutzt und geflickt, aber die Hunde hatten den Zenit ihres Lebens überschritten. Weit überschritten.
    Sie begannen mir unter der Hand wegzusterben, bevor ich auch nur in die Nähe meines Ziels gelangt wäre. Ich mußte alles bis auf Lebensmittel und Werkzeuge wegwerfen, die ich auf dem Rücken trug, während ich fluchend und schwitzend neben dem Schlitten herlief.
    Als ich die Schneemauer erreicht hatte, die das Königreich des Weihnachtsmanns umgibt, taumelten die letzten Schlittenhunde bloß noch; ich schnitt die armen Kreaturen los, verfütterte das restliche Seehundfleisch an sie und ging zu Fuß weiter, wobei ich mich nicht um die Wärme-Detektoren scherte, die installiert worden waren, um illegales Eindringen zu unterbinden. Die Yetis, die der Weihnachtsmann als Polizeikräfte angeheuert hatte, schnappten mich, bevor ich auch nur den Rand der Schneemauer erreicht hätte.
    An die Yetis werde ich mich nie gewöhnen. Abgesehen von ihrem Gestank (kein anderes Wort beschreibt ihren Körpergeruch besser) sind sie ständig schlecht gelaunt und mundfaul. Als sie mich, gefesselt und geknebelt, reichlich unsanft zum Wohnzimmer im Haus des Weihnachtsmanns schleiften, lernte ich einige neue Ausdrücke, die selbst ich zuvor noch nie gehört hatte. Ich hatte nicht den Eindruck, daß meine Erziehung ohne diese zusätzliche Erfahrung sehr gelitten hätte.
    Während wir das Gelände durchquerten, das von einer weiteren, nicht ganz so hohen, aber mindestens genauso dicken Schneemauer umgeben war, trafen wir auf eine Menge umherhetzender Elfen. Einige trugen Musterbücher und murmelten Maße vor sich hin. Andere schwankten unter der Last von Fässern mit Metall, Holz, Aluminium oder Kunststoff zu der großen Fabrik, die ihren Rauch in die kalte, blaue Luft des Pols spuckte.
    Wieder andere standen in Grüppchen beisammen und tuschelten, während sie uns argwöhnisch nachsahen. Ich versuchte, einigen der Näherstehenden zuzublinzeln, aber sie waren offenbar nicht sehr zugänglich. Ich hoffte nur, daß meine Werkzeuge (sorgfältig ausgewählt und mir völlig vertraut) den Weihnachtsmann überzeugen würden, daß ich das war, was zu sein ich vorgab.
    Das Gebäude war beeindruckend. Türme ragten gen Himmel, deren Fenster im harten Licht wie Eis blitzten. Eine große Tür öffnete sich in eine Vorhalle, an deren Wänden liebliche scharlachrote Tapisserien und nachtfarbene Landschaftsgemälde aller Weltregionen hingen. Der Weihnachtsmann war anscheinend ein Meister des Pinsels.
    Der Yeti zu meiner Linken stieß mich unsanft in eine Türöffnung rechts, und ich stolperte durch schwere Stoffvorhänge (hervorragend geeignet, Zugluft abzuhalten) in ein riesiges Zimmer, das gleichermaßen vom Licht des Schnees und des Kaminfeuers erleuchtet war. Der Gnom, der in dem mächtigen Sessel neben dem Feuer saß, war allerdings nicht der rundliche, rotnasige Unsterbliche, den zu sehen ich erwartet hatte. Das hier war ein Elf.
    Dann fiel’s mir wieder ein – der Weihnachtsmann war ein Gefangener. Bislang hatte mich das nicht sonderlich berührt, jetzt aber ließ es mich schaudern. Bei ihm wußte man immerhin, mit wem man’s zu tun hatte, gleich, wie weitabgewandt und feindselig er zuletzt geworden sein mochte. Aber was war mit diesem rebellischen Höfling?
    Die kleine Gestalt richtete sich auf, wobei sie einen wunderschönen Afghanen beiseiteschob, der zu ihren Füßen gelegen hatte. »Und wer ist das?« fragte sie mit schriller Stimme. »Woher ist der gekommen? Und wie ist er ins Reich gelangt?«
    Der Yeti grunzte eine Antwort in seiner ungehobelten Sprache, und der Elf nickte bedächtig. Dann wandte er sich mir zu, und sein stechender Blick schien mich bis ins Innerste durchbohren zu wollen.
    Aber er war offenbar kurzsichtig. »Du bist Spielzeugmacher?« fragte er. Er beugte sich vor, woraus jeder Student der Körpersprache großes Interesse schließen konnte.
    Ich räusperte mich, dachte an Nadramadia, wobei ich mich
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