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Frohes Fest!

Frohes Fest!

Titel: Frohes Fest!
Autoren: Wolfgang Jeschke (Hrsg)
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Soviel stand jedenfalls fest.
     
    Vielleicht hätte ich noch einiges mehr in Erfahrung gebracht, wenn ich in der Zelle geblieben wäre, aber ich überlegte mir, daß der größte Teil der weiteren Unterhaltung aus Vorwürfen ihrerseits und Verteidigungen seinerseits bestehen würde. Zeuge von Ehekrächen zu sein, ist ein lausiger Zeitvertreib (ich hatte in meiner wechselvollen Vergangenheit auch das schon getan), und ich hatte keine Absicht, damit viel Zeit zu verschwenden. Außerdem mußte ich dringend mit Nadramadia Verbindung aufnehmen – die 48 Stunden waren fast herum, und wenn ich mich nicht meldete, würde er seine Fingernägel endgültig ruinieren. Er mochte zwar im Augenblick meilenweit entfernt sein, aber wenn ich hier lebend herauskäme, mußte ich ihm wieder unter die Augen treten. Er konnte ein ekelhafter Bastard sein.
    Ich hockte mich neben das Tablett, zerknüllte es und warf es dann in den Metallkrug. Aus dem Futter meines Parkas, der auf der Pritsche lag, nestelte ich einige Fläschchen mit verschiedenen Chemikalien und stellte sie bereit. Dann wartete ich.
    Jeder, der vom aufregenden Leben eines Geheimagenten schwärmt, war niemals selbst einer. Das meiste davon besteht aus ungeduldigem Warten auf unangenehme und/oder gefährliche Dinge, denen Leute mit klarem Verstand möglichst weit aus dem Weg gehen.
    Mittlerweile war auch die Zeit verstrichen, die ich benötigt hatte, mir eine Deckung zu verschaffen, die aus der umgekippten Pritsche bestand, in die ich die Matratzen und die Decken gepreßt hatte, und es blieben noch immer lange Stunden des Wartens. Ich sehnte mich nicht gerade nach einer erneuten Begegnung mit einem Yeti, dennoch ertappte ich mich dabei, wie ich den Atem anhielt in Erwartung der Geräusche, die ihre großen Füße auf dem Korridorboden hervorriefen. Als ich sie dann endlich tatsächlich hörte, hätte ich ihnen beinahe ihre häßlichen Mäuler küssen mögen.
    Statt dessen bezog ich Stellung hinter der umgestürzten Pritsche, öffnete meine Chemikalienfläschchen und stellte sie griffbereit neben mich. Der Krug, sein dichtschließender Deckel daneben, wartete.
    Stunden schienen zu vergehen, bis sie meine Tür erreichten. Genau wie zuvor öffnete sie sich, einer trat zurück, während der andere sich vorbeugte, um den Kübel zu packen. Genau in diesem Moment schüttete ich die Chemikalien in die zerknüllte Folie, schlug den Deckel zu und warf den Krug zur Tür, wobei ich mich hinter meine provisorische Deckung duckte.
    Die Welt schien zu explodieren. In meinen Ohren dröhnte es, und in meiner Nase stachen die sauren Dämpfe. Metallteile klirrten und klapperten an den Wänden – und gruben sich in Fleisch. Ich hörte das Kreischen und Heulen der beiden Yetis, als ich mich über die Pritsche schwang und in die Rauchwolken spähte.
    Die Lampe war hingefallen, und brennendes Öl lief über den Boden. Einer der Yetis lag flach auf dem Rüc ken und sein Fell rauchte. Der andere lehnte an der Wand, wobei er seine Klauen vor die Augen hielt. Er wimmerte. Er tat mir fast leid, als ich zurückschaute, während ich durch den Korridor sauste.
    Die Tür am anderen Ende stand, wie erwartet, offen. Yetis sind nicht gerade als pingelig verschrien, und ich war dafür sehr dankbar.
    Die Treppenfluchten waren von Lampen erleuchtet, und nirgends hatte man Wachen postiert, so daß es mir rasch gelang, die Keller zu verlassen. Bevor ich das Erdgeschoß erreichte, verzog ich mich in einen Versorgungsgang, der, wie erwartet, zu einem Komplex von Heizöl-Lagerräumen, Speisekammern und Aufzügen führte, die es erlaubten, alles Nötige ohne besondere Mühe in die Küche hinaufzubefördern.
    Aus der Stille sowohl in den unteren wie oberen Bereichen (es fehlte jegliches Echo von Alltagsgeräuschen) schloß ich, daß es spät am Abend oder sogar mitten in der ›Nacht‹ war, obwohl es außerhalb des Hauses jetzt im August völlig hell sein mußte. Die Köche und die übrigen Bediensteten hielten sich dennoch an die Tageszeit, was meinen Plänen natürlich entgegenkam. Ich kletterte in den größten Aufzug und zog mich selbst an den Stricken hoch.
    Ich stieg in einer Küche aus, einem hohen Raum, der groß genug schien, daß man darin hätte Elefanten kochen können, wenn diese unglückselige Spezies noch existiert hätte. Einträchtig nebeneinander standen Ofen, die mit Kohle, Holz oder Solarenergie betrieben wurden, ein schönes Beispiel für den technischen Fortschritt des Kochens über die
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