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Frohes Fest!

Frohes Fest!

Titel: Frohes Fest!
Autoren: Wolfgang Jeschke (Hrsg)
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einiger meiner neu erworbenen Ausdrücke bediente, und sagte: »Ich heiße Lars Temkin, wandernder Elf, Kat. 4, Spezialgebiet: antikes Spielzeug. Ich hatte angenommen, beim Weihnachtsmann Arbeit zu finden, aber die Dinge liegen offenbar nicht so, wie ich’s erwartet hatte.«
    Der alte Elf verzog sein Gesicht. »Mein Name ist Uwe Leissen, gewählter Vertreter der Spielzeugmacher-Gewerkschaft und vorläufiger Herrscher im Königreich Nordpol. Es stimmt, daß wir Arbeiter auf allen Gebieten benötigen, insbesondere auf deinem, aber wir müssen dich sorgfältig prüfen. Wir leben in schwierigen Zeiten, und ich hoffe, du hast Verständnis dafür, daß wir dich nicht nach dem ersten Augenschein akzeptieren können.«
    Hatte ich tatsächlich, obwohl ich versuchte, so unschuldig und treuherzig wie möglich dreinzublicken. »Wenn ihr meine Arbeitskraft gebrauchen könnt, denn man ran!« sagte ich zu ihm.
    »Oh, nein. So einfach ist das auch wieder nicht. Aber bald … bald. Arrgha!« Diese Bemerkung galt dem grö ßeren der beiden Yetis. »Führt diese Person ab in die Un tersuchungszellen. Aber sorgt dafür, daß er’s bequem hat, sonst mache ich euch Feuer unterm Hintern.«
    Der Yeti brummelte irgendwas Obszönes und riß mich am Arm herum. Bevor ich auch nur Luft holen konnte, waren wir schon auf dem Weg in die Tiefe, Treppe um Treppe.
     
    Die Keller unter dem riesigen Gebäude waren trocken und warm. Das mußten sie auch sein, denn andernfalls wären die Vorräte des Weihnachtsmanns vermutlich zu Eis gefroren, und auch im oberen Teil des Hauses wäre es erbärmlich kalt. Wir gingen einen langen Korridor entlang, der von altertümlichen Öllampen erleuchtet wurde, und erreichten eine Tür mit Metallbeschlägen, auf denen Holzbohlen kreuzförmig befestigt waren, die zu immensen Kosten importiert worden sein mußten.
    Der Yeti strengte sich mächtig an, bis sich die Tür knarrend öffnete und die Dunkelheit dahinter hinaus auf den Korridor kroch. Er schnappte sich eine Lampe und schob sie in die dunkle Halle. Vor uns lag eine lange Reihe Türen, jede verriegelt und verrammelt. Zellen, dachte ich düster.
    Weit am anderen Ende der Halle stand eine Tür offen. Der Yeti eilte zu ihr, und bevor ich Protest anmelden konnte, hatte er mich schon ins Innere gestoßen und die Tür verschlossen.
    »Uwe sagte, ich sollte es bequem haben!« rief ich.
    »Hrumbarrhfhr!« antwortete der Yeti. Ich verstand nicht, was er von sich gab, wenngleich sein Tonfall unmißverständlich war.
    Die Zelle war nicht so dunkel, wie ich zunächst angenommen hatte. Der Wärter hatte die Lampe draußen in den Korridor gehängt, so daß ein paar Lichtstreifen durch die Schlitze im Beschlag des oberen Türteils fielen. Nachdem sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, erkannte ich eine Pritsche (ziemlich vermodert, wie sich bei näherer Untersuchung herausstellte) mit einem Stapel Decken (gleichfalls vermodert) am Fußende.
    Die Wände bestanden aus Stein. Vermutlich war das Grundgestein hier so nah an der Oberfläche, daß man die Zellen direkt hatte hineinschneiden können. Jedenfalls konnte ich keine Furchen ertasten, wie ich sie hätte fühlen müssen, wenn man Ziegelstein verwendet hätte.
    Damit war also die Möglichkeit gestorben, mich hinauszubuddeln. Mit dem Satelliten Verbindung aufnehmen konnte ich gleichfalls nicht. Ich befand mich einfach zu tief unter der Erde, zudem lag der riesige Steinhaufen des Hauses über mir. Es nutzte also nichts, daß der Sender sicher unter meinen Jacketkronen verborgen war. Ich biß wild darauf herum, und die Rückkopplung schrillte durch meinen Kopf.
    Im Augenblick konnte ich also nichts weiter unternehmen. Ich legte mich auf die Pritsche, die Füße bequem auf den Stapel Decken, und starrte an die gestreifte Decke meiner Zelle.
    Nach und nach gewöhnten sich meine Augen immer mehr an das Dämmerlicht. Zusätzlich zu den Schlitzen in der Tür befanden sich welche in beiden Seitenwänden. Sie dienten vermutlich der Luft- und Wärmezirkulation. Falls ein Gefangener in der Nachbarzelle lag, konnte ich vielleicht ein Gespräch mit ihm beginnen!
    Ich öffnete schon den Mund zum Sprechen – schloß ihn aber gleich wieder. Irgendein Instinkt sagte mir, daß sich mir etwas enthüllen würde, wenn niemand von meiner Anwesenheit hier erführe. Der Elf oder Mensch in der Nachbarzelle wüßte vielleicht etwas für meine Mission Wesentliches, und wenn ich ruhig daläge und meine Ohren aufs äußerste anstrengte,
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