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Fröhliche Wiederkehr

Fröhliche Wiederkehr

Titel: Fröhliche Wiederkehr
Autoren: Horst Biernath
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>Gold gab ich für Eisen< zu lesen war, und Mutter ihren breiten goldenen Ehering gegen einen Ring aus Nickelstahl mit der Inschrift >Vaterlandsdank 1914« eingetauscht hatte, trug Onkel Fritz seine Uhr noch immer an einer Goldkette in der Westentasche, und er hatte sich auch mir gegenüber völlig zugeknöpft gezeigt, als ich ihn bei den Goldsammlungen, für die es schulfreie Tage gab, höflich gebeten hatte, mir sein Goldgeld auszuhändigen und es gegen Papiergeld umzutauschen. Obwohl er doch den Chinafeldzug als Major mitgemacht hatte, zeigte er so wenig vaterländische Gesinnung, daß er nicht einmal Kriegsanleihe zeichnete. Als ich dann einige Zeit später anläßlich einer Kupfersammlung wieder bei ihnen klingelte, da wollte Tante Emilie mit ihrem schiefen Mund mich gleich an der Tür abwimmeln, aber da kam Onkel Fritz aus dem Wohnzimmer und sagte zu seiner Schwester, sie solle mich nur eintreten lassen. Es roch im Flur gar nicht gut. Und dann fragte er mich, ob ich wisse, was ein Ehrenwort sei, und als ich sagte, das wisse ich sehr wohl, da fragte er mich, ob ich mir jede Woche eine Mark verdienen wolle. Ich müsse ihm aber mein Ehrenwort geben, keinem Menschen, nicht einmal meinen Eltern, etwas davon zu sagen. Das versprach ich ihm feierlich. Und dann sagte er, ich könne mir die Mark jede Woche von ihm abholen, wenn ich täglich unsere Küchenabfälle, vor allem Kartoffelschalen und Fallobst aus Gutbrods Garten, aber auch Eicheln und Rübenabfall, ohne viel Aufsehen zu erregen, bei Tante Emilie abliefern würde. Und dann lüftete er mir sein Geheimnis. Er hatte nämlich von einem seiner Jagdfreunde, einem Gutsbesitzer aus der Mehlauker Gegend, ein Läuferschweinchen von etwa zwanzig Pfund Gewicht geschenkt bekommen, es im Rucksack heimgetragen und sich nach langer Beratung mit Tante Emilie entschlossen, das Ferkel in der Wanne des Badezimmers auf achtzig bis hundert Pfund hochzupäppeln, so daß es zu Weihnachten gerade schlachtreif sei. Im Anfang war das auch recht gut gegangen, aber mit der zunehmenden Größe und dem wachsenden Appetit des Schweinchens langten die Abfälle ihres Zweipersonenhaushaltes zur Fütterung einfach nicht mehr aus. Deshalb also sollte ich helfen, und Onkel Fritz war großzügig genug, mir neben der wöchentlichen Zahlung von einer Mark auch noch ein ehrliches Stück von seinem Schwein zu versprechen, wenn ich das Futter heranschaffte und mich auch sonst an seine Bedingungen hielt.
    Ich war mit richtigem Feuereifer bei der Sache, ich sammelte nicht nur Eicheln, sondern auch Bucheckern, die für das Schwein eigentlich viel zu schade waren, denn Mutter preßte aus Bucheckern Öl; ich suchte sogar die Mülltonnen der Nachbarhäuser nach Abfällen durch, mit soviel Hingabe und Erfolg, daß ich mir einbilden konnte, das meiste zur Aufzucht des Schweinchens getan und mir durch meine Bemühungen das Anrecht auf einen ganzen Schinken erworben zu haben. Und der sollte mein Weihnachtsgeschenk für die Eltern werden. Das Schwein gedieh in der Badewanne auf einem Holzrost, den Onkel Fritz aus Kistenbrettern zusammengenagelt hatte, ganz prächtig. Aber kurz vor Weihnachten, als Tante Emilie den verzinnten Waschkessel schon aufs Feuer stellte, um das Schwein abzubrühen, geschah das Unglück. Onkel Fritz war ganz gewiß ein guter und erfahrener Weidmann, von der Schweinemetzgerei aber hatte er leider nicht die geringste Ahnung. Als er die Sau, die einen guten Zentner wiegen mochte, acht Tage vor dem Fest abzustechen versuchte, mißlang ihm der an Rehen und Hirschen in Jahrzehnten geübte Fangstoß so gründlich, daß die Sau mit einem gewaltigen Satz aus der Badewanne sprang und blutend und irr schreiend durch die Wohnung raste. Zwei kostbare, hohe Chinavasen gingen dabei in Trümmer, ein Tisch mit Nippes stürzte um, und eine Glasvitrine voller Elfenbeinschnitzereien, Jadefigürchen und feinem Porzellan bildete nur noch einen wüsten Scherbenhaufen. Onkel Fritz blieb nichts anderes übrig, als sich auf seine Fertigkeiten als Jäger zu besinnen, hinter seinem Schreibtisch auf Anstand zu gehen und das Schwein nach einem Schuß, der daneben ging, durch einen zweiten zur Strecke zu bringen. Die Schüsse alarmierten leider nicht nur das Haus und die Nachbarschaft, sondern auch einen Schutzmann, der gerade durch die Tiergartenstraße patrouillierte. Der alte Musikprofessor und seine Damen glaubten allen Ernstes, Onkel Fritz sei irrsinnig geworden und habe seine alte Schwester in einem Wahnsinnsanfall
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