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Fröhliche Wiederkehr

Fröhliche Wiederkehr

Titel: Fröhliche Wiederkehr
Autoren: Horst Biernath
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umgebracht. Der Schutzmann drang in die Wohnung ein, erklärte das tote Schwein für beschlagnahmt und nahm Onkel Fritz auf die Polizeiwache mit. Zwar wurde er dort nach wenigen Stunden entlassen, aber das Schwein blieb beschlagnahmt, und eine hohe Geldstrafe war ihm auch sicher. Und damit waren auch meine Hoffnungen, die Eltern mit einem saftigen Bratenstück zu überraschen, dahin.
    In diese traurige Stimmung fuhr wie ein Lichtstrahl des Leuchtturmes von Brüsterort ein Telegramm von Lotte hinein, daß sie am Nachmittag des 24. Dezember mit schwerem Gepäck auf dem Hauptbahnhof eintreffen werde, und daß man sie abholen solle. Mit schwerem Gepäck! Lieber Gott, das konnte nur gutes Bauernbrot, Butter, Würste und vielleicht sogar eine Gans bedeuten. Wir waren ohne Mädchen, denn unsere Anna hatte im Herbst ihren Maurermeister geheiratet, mit dem sie schon ging, als er noch Polier gewesen war. Er hatte gleich zu Anfang des Krieges in der Schlacht von Tannenberg den linken Fuß verloren. Anna hatte um diesen Fuß viele Tränen geweint, aber zum Schluß war sie der russischen Granate, die ihrem Gottfried den Fuß aberissen hatte, richtig dankbar, denn für ihn war der Krieg zu Ende.
    So machte ich mich denn mit meinem Rodelschlitten kurz nach dem Mittagessen, einer dicken Kartoffelsuppe, allein auf den Weg zum Bahnhof. Zwei mit Kunsthonig bestrichene Brote hatte Mutter mir für alle Fälle mitgegeben, denn wir wußten ja nicht, wann Lotte eintreffen würde. Es war ein richtiges Stiemwetter. Der Ostwind fegte eisig durch die Straßen und ich machte mich auf ein langes Warten gefaßt, denn bei diesem Wetter konnte es leicht geschehen, daß der Zug in einer Schneewehe steckenblieb. Vor dem Bahnhofsgebäude und in der kalten, zugigen Bahnhofshalle lungerten ausgemergelte Menschen herum, auf Angehörige wartend, die zum Hamstern aufs Land gefahren waren. Sie schlichen unruhig und sorgenvoll an den streng bewachten Sperren vorüber, in der Hoffnung, irgendwo eine Lücke zu erspähen, wo man der Kontrolle entgehen konnte. Aber da gab es nirgendwo eine Lücke, an jeder Sperre standen zwei Mann von der Bahnpolizei, deren Laune bei der eisigen Kälte von Stunde zu Stunde schlechter wurde, und andere patrouillierten an den Bahnsteigen entlang.
    Es wurde drei und es wurde vier Uhr, die Dunkelheit brach herein, und ich erstarrte in der bitteren Kälte bis ins Mark. Gegen sechs Uhr abends lief der Zug aus Mohrungen endlich ein. Er war kurz hinter Wormditt tatsächlich zwei Stunden lang im Schnee stecken geblieben. Ich trabte mit meinem Schlitten an den Abteilen entlang und entdeckte meine Schwester Lotte mit zwei Koffern, deren Gewicht ihr fast die Arme ausriß. Ihr erstes Wort war, ob es eine Kontrolle gäbe, und als ich ihr sagte, daß sie heute ganz besonders streng sei, da seufzte sie nur: »Lieber Gott, dann war alles umsonst...«
    »Was hast du denn mitgebracht?« fragte ich.
    Sie antwortete mir, im großen Koffer seien Kartoffeln, und im kleineren Äpfel und Zuckerrüben, um Sirup zu kochen. »Und was sonst?« fragte ich ziemlich enttäuscht. Ein bißchen was, murmelte sie.
    Kartoffeln, Rüben und Äpfel, na, da brauchte sie sich wirklich keine Sorgen zu machen, denn darauf waren die Kontrolleure bestimmt nicht scharf. Und so lud ich die schweren Koffer auf den Schlitten und zog damit zur Sperre ab. Dort gab es Tumult und Geschrei. Zwei von den Bahnpolizisten waren gerade dabei, einen alten Mann abzuführen, der für seine Familie ein Stück Speck oder etwas Fleisch gehamstert hatte und sich nun schimpfend und um sich schlagend gegen die Beschlagnahme und gegen seine Verhaftung wehrte. Wahrscheinlich hatte keiner von den Leuten, zwischen denen ich mich zum Ausgang schob, ein gutes Gewissen. Manche drückten sich mit ihren Koffern und Rucksäcken in die Dunkelheit zurück. Ich schob mich zur Sperre vor. Was hatte ich schon zu befürchten? Einer von den beiden Polizisten an der Sperre winkte mich zu sich heran.
    »Was hast du in den Koffern?« fragte er und stieß mit der Stiefelspitze gegen den großen Koffer, der zuunterst auf dem Schlitten lag.
    »Was werd’ ich wohl drin haben«, antwortete ich dreist grinsend, »ein halbes Schwein, eine Gans, Weizenmehl, drei Würste und einen Klumpen Butter.«
    Er schien das gar nicht lustig zu finden. »Aufmachen!« befahl er und blies mir den Tropfen, der an seiner Nase hing, mitten ins Gesicht. Ich kriegte eine furchtbare Wut und war nahe daran, ihm mitten in seine grobe Fresse zu
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