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Fritz Neuhaus 03 - Nichtwisser

Titel: Fritz Neuhaus 03 - Nichtwisser
Autoren: Jochen Senf
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lang gezogenen Räusperer des Priesters kannte ich aus der Schlüssellochperspektive.
    »Am gleichen Tag, an dem Sie Saarbrücken verließen. Ich fand sie.«
    Mehr wollte ich nicht wissen.
    Es war soweit. Sie kam den Stuttgarter Platz entlang. Erst ein kleiner Punkt, der rasch größer wurde. Sie steuerte auf mich zu. Blieb dicht vor mir stehen. Das ›Dollinger‹ war fast noch leer.
    »Help me. I need you.« Sie lächelte kokett. »Schön, dass Sie da sind.«
    Das war der Anfang vom vermeintlichen Ende vor wenigen Tagen. Ich schaute sie an.
    »Bestellen Sie mir wieder einen Milchkaffee mit einem Amaretto?«
    Doris bediente. Ich bestellte bei ihr den Milchkaffee und den Amaretto. Jetzt erst setzte sie sich. Sie schlug die Beine übereinander und wippte mit dem Fuß. Sie schien ehrlich erfreut, mich zu sehen.
    »Nehmen Sie nichts?«
    Ich hätte ihr gerne eine Ohrfeige verpasst.
    »Haben wir doch gut hingekriegt.«
    »Wovon reden Sie?«
    »Dass Sie noch leben.«
    Doris brachte den Milchkaffee und den Amaretto.
    »Es hätte auch ganz anders kommen können.«
    Sie nippte an dem Amaretto.
    »Ich kannte Nemec gut aus alten Zeiten. Er rief mich an und sagte, er sei beunruhigt. Merkwürdige Dinge passierten im Lager Schlabbach. Er dachte, ich wäre bei der Kripo. Da war ich mal. Er wollte einen Rat. Ich bat ihn, nach Berlin zu kommen. Er kam. Erzählte. Er wusste bereits zu viel. Das Projekt Martha Klein war gefährdet. Warum musste ausgerechnet Nemec in Schlabbach leben? Zufälle sind unkalkulierbar. Er erzählte mir, wie er lebte. Wie man das so tut unter alten Freunden, die sich treffen nach langer Zeit. Er war vertrauensselig. Er hatte sich liiert mit Donati . Zwei Heteros entdeckten, dass sie schwul sind. Donati beichtete ihm seine Sünden. Eine Sünde war Ihre Mutter. Donati wusste, welches Verhältnis Ihre Mutter mit Ihnen pflegte. Das gemeinsame Baden. Das Badegeheimnis gehörte zum Liebesritual der beiden. Das erregte sie. Den Priester plagten Ihretwegen fürchterliche Gewissensbisse.«
    Sie nippte wieder am Amaretto. Dann vom Milchkaffee.
    »Köstliche Melange.«
    In mir krampfte sich alles zusammen.
    »Donati fand Ihre Mutter tot im Bad. Sie hatten kurz davor endgültig das Haus verlassen. Ihre Mutter saß in der Badewanne mit vornüber gebeugtem Kopf. Der Kopf war unter Wasser. Mit einem Schaumteppich bedeckt. Eine unnatürliche Stellung. So sitzt niemand. Jemand hatte ihr den Kopf unter Wasser gedrückt. Jetzt raten Sie mal.«
    Ich hatte daran gedacht, ihren Kopf unter Wasser zu drücken, bis sie aufgehört hätte, zu atmen. Sie ertränken. Meine Hand hatte auf ihrem Hinterkopf gelegen. Öfter. Ich hatte daran gedacht, es zu tun.
    »Nemec musste verschwinden. Aber der Priester wusste noch viel mehr. Nicht nur durch Nemec. Er wusste alles. Er hatte Beweise. Unanfechtbare. So kamen Sie ins Spiel. Sie waren die Trumpfkarte. Der Rammbock, der den Priester weich klopfen sollte. Ich erschoss Nardini. Er war ein Killer. Eine alte Rechnung. Er war zufällig in Berlin. Den Rest mit Nardini kennen Sie. Das Mörderspiel. Ihr Spiel. Sie wurden in das Geschehen eingeschleust. Aber die Spielregeln kannten Sie nicht. Ha! Es gab keine. Das passierte einem alten Abzocker wie Ihnen!«
    »Warten Sie es ab.«
    Ich war zur Autobahn gegangen damals und trampte nach Berlin. Ohne Gepäck. Ich hatte mir etwas Geld aus der Kasse geholt. Ich erinnerte mich an die Dose mit den Mottenkugeln, die mir die Apothekerin gegeben hatte. Dass ich voller Scham nach Hause gerannt war. Um für immer das Haus zu verlassen. Das war alles, woran ich mich erinnerte.
    »Der Priester wusste alles? Unanfechtbare Beweise?«
    »Marc Poulet war zwar ein Ferkel, aber ein sehr frommes. Der Priester war sein Beichtvater. Er beichtete ihm alles. Nicht nur das. Poulet war extrem geizig. Er fürchtete allen Ernstes, er müsste nach seinem Tod an der Pforte zum Herrn unbezahlbaren Ablass zahlen für seine Ferkeleien. Der Priester forderte als Ablass Kopien des Rohmaterials, das Poulet im Fort gedreht hatte. Sie kennen den mikroskopischen Feinschnitt. Auch ich war zu sehen. Der Priester bekam das Material. Das kostete den geizigen Poulet fast gar nichts, nur sein Leben. Der Priester hatte uns in der Hand. Das Projekt wurde abgebrochen. Es ging nur noch um Spurenbeseitigung. Mit der Brechstange. Wir brauchten unbedingt das Material. Wir setzten den Priester mit Ihnen unter Druck. Erst dachten wir, Sie sollten ihn verschleppen. Wir verwarfen die Idee. Die perversen
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