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Fritz Neuhaus 03 - Nichtwisser

Titel: Fritz Neuhaus 03 - Nichtwisser
Autoren: Jochen Senf
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hatte schon in den 50er Jahren viele solcher Experimente gemacht, die man hier imitierte und verfeinerte. Man wollte den gesamten Landkreis Stück für Stück terrorisieren. Ihn benutzen wie ein Biotop zu Studienzwecken. Man wollte die Folter in der Öffentlichkeit salonfähig machen, indem man das Menetekel an die Wand malte, den › Worst Case ‹ , die Schmutzige Bombe. Man wollte studieren, wie sich die Bevölkerung verhält. Sie hatten bizarre Ideen. Es ist eine Panne passiert. Zwei Menschen starben unter der Folter. Ein Mädchen im Lager an den Auswirkungen. Nemec hat es untersucht. Das war sein Pech. Mlasec ist durchgeknallt.«
    Während er redete, fuchtelte er mit Armen und Beinen umher, verknotete und entknotete sie, seine schlaffen Backen schlabberten und prusteten, wenn er tief Luft holte, denn er sprach schnell und hektisch.
    »Wieso ist der durchgeknallt? Weiter!«
    Meine Stimme klang beklemmend hohl unter der Gasmaske. Jeder unbeteiligte Beobachter musste glauben, einer grotesken Geistersitzung beizuwohnen, in der gehauen, gestochen und gemetzelt wurde.
    Poulet räusperte sich tief. Es kam aber nichts. Er wollte nicht mehr. Ich startete den Motor. Die austretenden Wölkchen aus dem Auspuff motivierten ihn.
    »Ohne Mlasec lief im Lager nichts. Er war nicht direkt in die Experimente eingebunden. Er wusste aber bald, was lief. Durch das Fort Hackenberg machte er sich unentbehrlich. Er ist dort Pächter. Er organisiert die Hochzeiten im Fort, die anschließenden Festivitäten in einem eigenen Restaurant in der Nähe. Im Fort liefen die Experimente. Es war der ideale Ort. Er sollte sich Martha Klein unterordnen. Sie glaubten, sie hätten ihn in der Hand mit all seinen Schweinereien. Das schmeckte ihm gar nicht. Es kam zu ersten Reibereien. Dann passierte die Sache mit Nemec. Nemec beschwerte sich bei Martha Klein. Er traf den Nagel auf den Kopf. Er warf ihr vor, einige seiner Patienten folterähnlichen Experimenten zu unterziehen. Schwere Retraumatisierungen seien die Folge. Zu welchem Zweck sie das nach seinem Verständnis geradezu systematisch betreibe? Nemec wurde zu einer Gefahr. Er wollte sich an die Öffentlichkeit wenden. Jetzt dämmerte es Mlasec. Seine Geschäfte im Lager mit den Flüchtlingen waren bedroht. Er hatte alles Mögliche am Laufen. Öffentlichkeit war für ihn Gift. Die Experimente von Martha Klein betrachtete er nur unter dem Aspekt seiner geschäftlichen Interessen. Nemecs Drohung war mehr als Sand im Getriebe seiner Geschäfte. Nemec wurde getötet. Eine Katastrophe. Das Experiment drohte zu scheitern. Das ganze Unterfangen. Ein Scheitern hatte der BND nicht bedacht. Es gab Zeugen, die Opfer der Experimente. Die Experimente waren grausam. Wohin mit den Opfern? Martha Klein ließ sie gnadenlos abschieben. Dann tauchten Sie auf. Die blanke Panik brach aus. Es ging akut nur noch darum, möglichst alle Spuren zu beseitigen. Martha Klein untersagte Mlasec alle geschäftlichen Aktivitäten. Sie wollte nichts riskieren. Alles sollte unterbleiben, was irgendwie Aufmerksamkeit erregen konnte. Mlasec dachte nicht daran, im Gegenteil. Er organisierte die Hochzeit im Fort Hackenberg. Sie waren da. Er will sich seine Pfründe nicht nehmen lassen. Er fühlt sich stark. Martha Klein tobte.«
    Meine Vermutung war richtig. Die Leute vom BND hatten die Nerven verloren.
    »Das war doch nicht alles?«
    In der Gasmaske hatte sich Verdunstungswasser gebildet. Die Tröpfchen blubberten beim Sprechen in der Nase. Es klang schaurig.
    Ich dachte an die Rothaarige. Welches Spiel spielte sie mit mir? Es war ein grausames Spiel. Ich verstand es nicht.
    Ich konnte durch die verglasten Öffnungen der Gasmaske fast nichts mehr sehen. Sie waren beschlagen. Jetzt war ich wirklich ein Tiefseetaucher, dem die Sicht versperrt war. Die Luft atmete sich ganz schlecht. Ich verspürte Ekel. Ich wollte raus aus dem Wagen. Ich musste die Geschichte zu Ende bringen.
    »Was war Ihre Aufgabe in der ganzen Angelegenheit?«
    Poulet druckste wieder herum. Meine Nerven waren äußerst angespannt. Ich brüllte los. Dass ich ihn verrecken lassen würde, mitsamt seiner Betty, wenn er nicht reden würde. Dass er nichts anderes verdiente. Ein gottverdammter Drecksack wie er. Das Gebrüll wirkte. Er war völlig eingeschüchtert.
    »Ich habe mit Betty zusammen alles dokumentiert.«
    »Was?«
    »Die Experimente.«
    »Genauer.«
    »Die Experimente. Und den Tod der zwei Frauen.«
    »Das alles haben Sie dokumentiert?«
    »Auf
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