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Friss oder stirb

Friss oder stirb

Titel: Friss oder stirb
Autoren: Clemens G. Arvay
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das Leben in der Stadt.“ Der Hauptgrund, ihre eigenen Leben autonomer und unabhängiger von Wirtschaft und Industrie zu gestalten, war für die beiden aber die Kritik an dem bestehenden Lebensmittelsystem und den herrschenden Bedingungen in der Lebensmittelindustrie, auch in der biologischen. [ Abb. 37 ]
    Selbstversorgung, zumindest im Bereich der Lebensmittel, erscheint immer mehr Menschen erstrebenswert. In einer Umfrage [56] , die ich im Jahr 2007 in Wien durchführte, gaben 60 Prozent der Befragten an, dass sie zumindest einen Teil ihrer Nahrung gerne selbst erzeugen würden, wenn sie die Möglichkeit dazu hätten.
    Natürlich besteht keine moralische Verpflichtung dazu, selbst gärtnerisch oder landwirtschaftlich tätig zu werden. Wer aber in der Arbeit mit der Erde nicht nur Anstrengung und Mühe sieht, sondern die Nebeneffekte dieser Art der Selbstversorgung schätzt, kann durchaus einen wertvollen Beitrag zu einer nachhaltigen Lebensmittelversorgung abseits der Industrie leisten. Zu den Vorteilen der Selbstversorgung zählen unter anderem die Bewegung an der frischen Luft, das Erleben des Wandels der Jahreszeiten und der Kontakt mit der Erde, den Pflanzen und den Tieren. Nicht umsonst wird das Gärtnern heute als sogenannte „Gartentherapie“ bereits erfolgreich als unterstützende Maßnahme psychotherapeutischer, sozialtherapeutischer sowie medizinischer Behandlungen eingesetzt. Auch gesellschaftlich betrachtet lassen sich im eigenen Garten wichtige Beiträge leisten. So sind Selbstversorgerinnen und Selbstversorger in der Lage, auch andere Menschen mitzuversorgen oder sich an regionalen Produktions-, Verteilungs- oder Tauschnetzwerken zu beteiligen. Zudem sind sie wirtschaftlich nicht an Konzernvorgaben gebunden und können daher durch den Einsatz alter, fast vergessener Kulturpflanzensorten und Kulturtierrassen einen Beitrag zum Erhalt dieser wertvollen Vielfalt leisten. Auch kleine, extensiv geführte Geflügelherden oder beispielsweise die extensive Haltung von Schafen oder Ziegen lassen sich in Gärten und auf privaten Nutzflächen integrieren.

    Selbsternteparzellen

    Nicht jeder Mensch verfügt über einen eigenen Garten oder eine Anbaufläche für Obst und Gemüse. Anderen wiederum fehlen die zeitlichen Ressourcen für die Gartenarbeit, die bereits im Frühjahr mit der Bodenbearbeitung beginnt und die Anzucht von Jungpflanzen, die Aussaat oder das Auspflanzen umfasst. Abhilfe verschafft das Konzept der Selbsterntefelder, das sich vor allem im städtischen Bereich bereits großer Beliebtheit erfreut: Die Landwirtinnen und die Landwirte legen auf professionelle Weise und unter Einsatz ihres Wissens und Könnens streifenweise Gemüse- und Obstkulturen an, die dann in Parzellen geteilt werden, welche saisonweise vermietet werden. Die Kundin oder der Kunde braucht dann nur mehr regelmäßig zu ernten. Sie erhalten sozusagen die Rosinen der Gartenarbeit – und den Ertrag in Form von frischen Lebensmitteln. In manchen Modellen werden die Beikrautbekämpfung und die Pflege der Pflanzen von den Anbietern übernommen, in anderen fallen diese Arbeiten in den Zuständigkeitsbereich der Kundinnen und Kunden.
    In Berlin besuchte ich einen Standort von Bauerngarten Berlin im Stadtteil Pankow, gelegen im Botanischen Volkspark Plankenfelde. „Wir pflanzen, Sie ernten“, lautet der Leitspruch des Unternehmens, das von dem Ökolandwirt Max von Grafenstein initiiert wurde. [ Abb. 38 ]

    Max von Grafenstein : Wir haben derzeit drei Standorte für unsere Bauerngärten in Berlin, einen im Norden, einen im Süden und einen im Westen. Wir schaffen mit unserem Projekt auch für landwirtschaftliche Laiinnen und Laien eine Möglichkeit, sich selbst mit Ökogemüse zu versorgen. Am Anfang jeder Saison bereiten wir den Boden vor, säen aus und pflanzen, um dann die Parzellen an unsere Kundinnen und Kunden zu übergeben, die dann ab dem Frühjahr selber aktiv werden und hacken, jäten und ernten. Wir stehen unseren Kunden natürlich die ganze Saison über mit Rat und Tat zur Seite. Der Einzelne ist aber Herr seines eigenen Gemüses.

    Clemens G. Arvay : Wie sind die einzelnen Parzellen der Bauerngärten in Berlin angeordnet?

    Max von Grafenstein : Wir legen Gartenkreise mit hoher Kulturpflanzenvielfalt an, die dann geteilt werden wie Tortenecken. Die Parzellen sind zwischen 22 und 45 Quadratmeter groß, je nach Kundenwunsch. Von einer kleinen Parzelle können sich ein bis zwei Menschen mit Gemüse versorgen, von einer
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