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Friedrich Nietzsche: Wanderer und freier Geist (German Edition)

Friedrich Nietzsche: Wanderer und freier Geist (German Edition)

Titel: Friedrich Nietzsche: Wanderer und freier Geist (German Edition)
Autoren: Sabine Appel
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der himmlischen Dinge zu stecken, sondern frei ihn zu tragen, einen Erden-Kopf, der der Erde Sinn schafft.» Die «ewige Wiederkehr des Gleichen» erhält vor diesem Hintergrund auch ihren lebensbejahenden Sinn: Lebe so, dass du wollen kannst, dieser Augenblick – und viele mögen ihm folgen – kehre wieder und wieder zurück!
    In einer weniger bekannten Nachlassschrift erläutert Nietzsche seinen Gedanken folgendermaßen: «Die Welt der Kräfte erleidet keinen Stillstand: denn sonst wäre er erreicht worden, und die Uhr des Daseins stünde still. Die Welt der Kräfte kommt also nie in ein Gleichgewicht, sie hat nie einen Augenblick der Ruhe, ihre Kraft und ihre Bewegung sind gleich groß für jede Zeit. Welchen Zustand diese Welt auch nur erreichen kann, sie muß ihn erreicht haben und nicht einmal, sondern unzählige Male. So diesen Augenblick: er war schon einmal da und viele Male und wird ebenso wiederkehren, alle Kräfte genauso verteilt wie jetzt: und ebenso steht es mit dem Augenblick, der diesen gebar und mit dem, welcher das Kind des Jetzigen ist.»
    Nietzsche wird von nun an fast alljährlich ins Oberengadin kommen und weitere sechs Sommer in Sils Maria verbringen. Von Sommer kann nicht immer die Rede sein. Die kalte Luft, die schnellen und häufigen Wetterwechsel und der manchmal tagelang anhaltende Regen machen ihm doch auch sehr zu schaffen, so dass er einmal an seine Schwester schreibt: «Ich friere so. Strümpfe! Viel Strümpfe!» Das einfache Zimmer, das er im Haus Durisch gemietet hat, besitzt keine Heizmöglichkeit. Nietzsche hat sich den Raum mit seiner aufs Allernotwendigste beschränkten Einrichtung mit einer selbst ausgesuchten Tapete ausstatten lassen. Einen Franken pro Tag kostet das Zimmer, bestehend aus Bett, Beistelltisch, Tisch und Stuhl, Sofa, Waschgestell, Spiegel, Lampe und Kerze. Der Denker wird in diesem einfachen Raum seine Werke der mittleren Phase, sein Hauptwerk beginnen, dessen maßgebliche Initialzündung der Gedanke von der ewigen Wiederkehr ist. In der «Fröhlichen Wissenschaft» hat er ihn erstmals der Öffentlichkeit präsentiert und ihn so formuliert, dass wirklich niemand auf die Idee kommen kann, hier sitze ein Schulphilosoph und betreibe ein begriffsakrobatisches Glasperlenspiel. Alles ist hier erlebt und erlitten. Es werden Fragen gestellt, mit denen einer die gangbaren Wege verlässt.
    «Wie, wenn dir eines Tages oder Nachts, ein Dämon in deine einsamste Einsamkeit nachschliche und dir sagte: ‹Dieses Leben, wie du es jetzt lebst und gelebt hast, wirst du noch einmal und noch unzählige Male leben müssen; und es wird nichts Neues daran sein, sondern jeder Schmerz und jede Lust und jeder Gedanke und Seufzer und alles unsäglich Kleine und Grosse deines Lebens muss dir wiederkommen, und Alles in der selben Reihe und Folge – und ebenso diese Spinne und dieses Mondlicht zwischen den Bäumen, und ebenso dieser Augenblick und ich selber. Die ewige Sanduhr des Daseins wird immer wieder umgedreht – und du mit ihr, Stäubchen vom Staube!› – Würdest du dich nicht niederwerfen und mit den Zähnen knirschen und den Dämon verfluchen, der so redete? Oder hast du einmal einen ungeheuren Augenblick erlebt, wo du ihm antworten würdest: ‹du bist ein Gott und nie hörte ich Göttlicheres!› Wenn jener Gedanke über dich Gewalt bekäme, er würde dich, wie du bist, verwandeln und vielleicht zermalmen; die Frage bei Allem und Jedem ‹willst du diess noch einmal und noch unzählige Male?› würde als das grösste Schwergewicht auf deinem Handeln liegen! Oder wie müsstest du dir selber und dem Leben gut werden, um nach Nichts mehr zu verlangen, als nach dieser letzten ewigen Bestätigung und Besiegelung? –»
    Vor der Gewalt seines Gedankens schaudert Friedrich Nietzsche zeitweise in seiner Einsamkeit. Es ist eine Mischung aus Euphorie und Erschrecken, was er empfindet. Er habe das Zimmer nicht verlassen können wegen seiner entzündeten Augen, schreibt er an Peter Gast. Er habe auf seinen Wanderungen zu viel geweint. Auch Zarathustra ist ja ein Wanderer, der aus der Einsamkeit des Gebirges und großen Erkenntnissen zu den Menschen herabsteigt, um ihnen seine Wahrheit zu bringen. «Das freiwillige Leben im Eis und Hochgebirge» ist das Schicksal des Denker-Propheten, und er kehrt, soviel weiß er, nie mehr zu den Menschen zurück.
    Einige Freunde aus früheren Zeiten besuchen den «Einsiedler von Sils Maria» in den kommenden Jahren und reisen zum Teil verstört, tief
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