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Friedhof für Verrückte

Friedhof für Verrückte

Titel: Friedhof für Verrückte
Autoren: Ray Bradbury
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fixiert, möchte man ihm nur noch hintendrauf fahren! Sehen Sie mir in die Augen. Sind Sie nicht auch meiner Meinung?«
    »Ich finde Sie witzig!«
    »Herrgott nochmal! Sie sollten alles, was der wunderbare Wong sagt, wie das Evangelium glauben. Warum fahren Sie nicht mit dem Auto?«
    Wir schrien beide gegen den Wind an, der uns um die Augen und die Münder schlug.
    »Schreiberlinge können sich keine Autos leisten! Außerdem habe ich mit fünfzehn gesehen, wie fünf Leute bei einem Unfall umkamen, in Stücke gerissen wurden. Ein Wagen war gegen einen Telefonmast gerast.«
    Fritz blickte von der Seite auf meine blassen, vor Erinnerung verzerrten Gesichtszüge.
    »Das war wie im Krieg, was? Sie sind doch nicht so dumm. Wie man hört, hat man Ihnen ein neues Projekt mit Roy Holdstrom anvertraut? Special Effects? Hervorragend, das muß ich leider zugeben.«
    »Wir sind schon seit der High School befreundet. Ich habe Roy immer dabei zugesehen, wie er in seiner Garage Dinosaurier bastelte. Damals haben wir uns gegenseitig geschworen, wenn wir groß wären, miteinander Monster zu erschaffen.«
    »Nein«, brüllte Fritz Wong in den Fahrtwind hinein, »Monster erschaffen? Sie arbeiten für Monster. Manny Leiber? Der Alptraum eines Gila-Monsters. Achtung! Da ist auch schon die Menagerie!«
    Er nickte den Autogrammjägern auf der den Studiotoren gegenüberliegenden Straßenseite zu.
    Ich warf einen Blick hinüber, und schon war ich mit meinen Gedanken weit weg. Es war 1934, und ich quetschte mich durch die tobende Menge, die mit Block und Bleistift wedelte, sich bei jedem Premierenabend unter den Klieg-Scheinwerfern drängte, oder Marlene Dietrich bis in ihren Friseursalon verfolgte, oder hinter Cary Grant herrannte, der am Freitagabend die Boxkämpfe im Legion Stadion besuchte, und ich wartete vor Restaurants auf Jean Harlow, die drei Stunden lang zu Mittag aß, oder auf Claudette Colbert, bis sie gegen Mitternacht laut lachend das Lokal verließ.
    Meine Augen wanderten über die verrückte Meute dort drüben, und ich erkannte sie wieder, die doggenhaften, pekinesischen, bleichen, bebrillten Gesichter namenloser Freunde von damals, wie sie dort draußen vor der dem spanischen Museo del Prado nachempfundenen Fassade warteten, bis sich die zehn Meter hohen, verschlungenen und verschnörkelten Gitter der Eisentore für die so unfaßbar Berühmten öffneten und unerbittlich wieder schlossen. Ich sah mich selbst, wie ich dort in diesem Nest voller hungriger Vögel hockte, die mit weit aufgesperrten Schnäbeln auf ihre Atzung in Form von kurzen Begegnungen, Blitzlichtschnappschüssen und Originalautogrammen warteten. Und während in meiner Erinnerung die Sonne unterging und schon der Mond hervorkam, sah ich mich auf Rollschuhen die vierzehn Kilometer nach Hause fahren, die menschenleeren Bürgersteige entlang, davon träumend, eines Tages der Welt bester Schriftsteller zu sein, oder Drehbuchautor bei Fly by Night Pictures.
    »Die Menagerie?« murmelte ich. »So nennen Sie die?« »Und hier«, fuhr Fritz Wong fort, »ist der Zoo!«
    Wir brausten durch das Eingangstor und durch die Gassen voller Ankömmlinge, Statisten und Manager. Fritz Wong rammte seinen Wagen direkt ins Parkverbot.
    Ich stieg aus und sagte: »Worin liegt der Unterschied zwischen einer Menagerie und einem Zoo?«
    »Hier drinnen, im Zoo, hält man uns mit Geld hinter Gittern. Die Menagerie-Trottel dort draußen sind in ihren eigenen dummen Träumen eingesperrt.«
    »Ich war auch einmal einer von denen, und ich habe davon geträumt, auf die andere Seite der Studiomauer zu kommen.«
    »Wie dumm. Jetzt werden Sie nie wieder herauskommen.«
    »O doch. Ich habe gerade ein zweites Buch mit Kurzgeschichten abgeschlossen, und ein Theaterstück. Man wird noch von mir hören.«
    Fritz’ Monokel funkelte. »Sie sollten mir so etwas nicht erzählen. Sonst verliere ich am Ende gar meine Verachtung für Sie.«
    »So wie ich Fritz Wong kenne, hat er sie in spätestens einer halben Minute wiedergefunden.«
    Fritz beobachtete mich, wie ich das Fahrrad aus seinem Wagen hob.
    »Sie sind beinahe ein Deutscher, wie mir scheint.«
    Ich kletterte auf mein Rad. »Wollen Sie mich beleidigen?«
    »Reden Sie so mit allen Leuten?«
    »Nein, nur mit dem großen Fritz, dessen Manieren ich mißbillige, dessen Filme ich jedoch bewundere.«
    Fritz Wong drehte sich das Monokel aus dem Auge und ließ es in die Brusttasche seines Hemdes fallen. Es war, als hätte er eine Münze in einen Automaten
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