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Friedhof für Verrückte

Friedhof für Verrückte

Titel: Friedhof für Verrückte
Autoren: Ray Bradbury
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Kleinarbeit gefertigten Urweltfilme zu drehen, die ihn berühmt machen sollten. Er war dermaßen von seinen Sauriern besessen, daß sich seine Freunde allmählich Sorgen machten und nach einem netten Mädchen für ihn Ausschau hielten, das es mit seinen Viechern aushalten würde. Sie waren noch heute auf der Suche.
    Ich stieg die Verandastufen empor, während mir ein Abend in Erinnerung kam, an dem Roy mich zu einer Vorstellung von Siegfried im Shrine Auditorium mitgenommen hatte. »Wer singt denn?« hatte ich ihn gefragt. »Zum Teufel mit der Singerei!« hatte Roy gebrüllt. »Wir gehen wegen des Drachen hin!« Nun, die Musik war triumphal. Aber der Drache? Bringt den Tenor um und Licht aus!
    Unsere Plätze waren so weit am Rand, daß ich – oje! – vom Drachen Fafner nicht mehr als das linke Nasenloch sah! Roy sah überhaupt nichts, mit Ausnahme der gewaltigen und feurigen Rauchkaskaden, die aus der für uns unsichtbaren Nase des Untiers schossen, um Siegfried zu versengen.
    »Verdammt nochmal!« zischte Roy.
    Und dann war Fafner tot, das Zauberschwert stak tief in seinem Herzen. Siegfried stimmte ein Triumphgeheul an. Roy sprang von seinem Sitz auf, verfluchte das Bühnenbild und rannte hinaus.
    Ich fand ihn draußen im Foyer, wo er vor sich hinmurmelte.
    »Schöner Fafner! Herrgott! Nicht zu fassen! Hast du was gesehen?!«
    Als wir in die Nacht hinausstürzten, grölte Siegfried noch immer von Leben, Liebe und Blutvergießen.
    »Die Zuschauer sind arme Schweine«, sagte Roy. »Noch zwei Stunden dort drin gefangen, und alles ohne einen Fafner!«
    Und nun saß er hier auf der Veranda, wiegte sich in der Hollywood-Schaukel und war völlig in die Vergangenheit hinübergeglitten. Allmählich kam er durch all die Jahre wieder zurück in die Gegenwart.
    »Hey!« rief er froh. »Was habe ich dir gesagt? Das Haus meiner Großeltern!«
    »Nein, das meiner Großeltern!«
    »Das unserer Großeltern!«
    Roy lachte überglücklich. Er streckte mir eine dicke fette Ausgabe von Es führt kein Weg zurück entgegen.
    »Er hat sich geirrt«, sagte Roy leise.
    »Ja, wir sind wirklich dort, einwandfrei.«
    Ich stockte. Direkt hinter dem Weideland sah ich die hohe Studiomauer, die Mauer zum Friedhof. Dort trieb sich noch immer der Geist eines Toten auf einer Leiter herum, doch ich war noch nicht soweit, die Geschichte anzuschneiden. Statt dessen fragte ich: »Was macht dein Monster? Hast du es schon gefunden?«
    »Hör auf – und wo ist dein Monster?«
    So ging das nun schon seit mehreren Tagen.
    Roy und ich waren angeheuert worden, um Monster zu entwerfen und anzufertigen, Meteore aus dem Weltraum stürzen zu lassen und damit wir humanoide Kreaturen aus trüben Lagunen stapfen ließen, lauter abgenudelte Klischees aus der Geisterbahn.
    Zuerst hatten sie Roy eingestellt, weil er technisch seiner Zeit voraus war. Seine Pterodaktylen flatterten wirklich über das urzeitliche Firmament. Seine Brontosaurier waren Gebirge, unterwegs zu Mohammed.
    Und dann hatte jemand zwanzig oder dreißig Unglaubliche Geschichten von mir gelesen, Erzählungen, die ich verfaßte, seit ich zwölf war und seit dem einundzwanzigsten Lebensjahr an Groschenmagazine verhökerte. Ich wurde angeheuert, um ›ein Drama für Roys Viecher zu schreiben^ Ich war völlig aus dem Häuschen, hatte ich doch an die neuntausend Filme gesehen, mit oder ohne Eintrittskarte, und schon mein halbes Leben darauf gewartet, daß jemand den Startschuß für meine Amoklaufbahn beim Film abfeuern würde.
    »Ich möchte etwas, das noch nie dagewesen ist!« sagte Manny Leiber an meinem ersten Tag im Studio. »Wir werden etwas auf die Erde zurasen lassen, dreidimensional. Ein Meteor fällt herab …«
    »In der Nähe vom Meteor Crater in Arizona …«, warf ich ein. »Den gibt es seit einer Million Jahre. Eine hervorragende Stelle für einen neuen Meteoreinschlag, und …«
    »Herausgekrochen kommt unser neuer Horror«, schrie Manny.
    »Soll er richtig zu sehen sein?« fragte ich.
    »Wie meinen? Natürlich muß er zu sehen sein!«
    »Klar, aber denken Sie einmal an einen Film wie Leopard Man. Das Grauen entsteht dadurch, daß man eigentlich nichts sieht, nur nachtschwarze Schatten. Oder zum Beispiel The Isle of the Dead, wo die schreckgelähmte Frau, eine Schizophrene, aufwacht und sich gefangen in einem Grab wiederfindet.«
    »Hörspiele!« brüllte Manny Leiber. »Verflucht nochmal, die Leute wollen sehen, vor was sie sich fürchten …«
    »Ich möchte nicht streiten …«
    »Dann
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