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Friedhof für Verrückte

Friedhof für Verrückte

Titel: Friedhof für Verrückte
Autoren: Ray Bradbury
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die Welt beherrschen. Jede verdammte Stadt in Europa gibt sich mittlerweile verrückt amerikanisch, die Leute ziehen sich so an wie wir, sehen so aus wie wir, reden und tanzen wie wir. Mit Hilfe der Filme haben wir die Welt erobert, wir sind nur zu blöd, um es zu bemerken. Wenn dem so ist, dann frage ich mich, was an dem naturgegebenen Talent eines Mannes, der hinter der Wandvertäfelung sitzt, so ungewöhnlich sein soll!?«
    Ich half ihm, den Spiegel wieder über das neuverputzte Mauerstück zu hängen.
    »Sobald etwas Gras über die ganze Angelegenheit gewachsen ist«, sagte Manny, »rufen wir Sie und Roy wieder zurück. Dann bauen wir den Mars auf.«
    »Aber ohne Monster.«
    Manny zögerte. »Darüber reden wir später.«
    »Mmhmm«, sagte ich.
    Ich blickte auf den Stuhl. »Wechseln Sie den aus?«
    Manny überlegte. »Ich werde mit meinem Hintern hineinwachsen. Das habe ich lange aufgeschoben. Ich glaube, die Zeit dafür ist jetzt gekommen.«
    »Ein Hinterteil, das widerstandsfähig genug ist, um den Entscheidungsgewaltigen in New York Paroli zu bieten?«
    »Wenn ich mein Gehirn in die Hosen stopfe, dann bestimmt. Jetzt, wo er weg ist, habe ich einiges vor. Möchten Sie ihn mal ausprobieren?«
    Ich betrachtete mir den Sessel eine Weile.
    »Nö, lieber nicht.«
    »Haben Sie Angst davor, daß Sie nicht mehr davon loskommen, wenn Sie erst mal drinsitzen? Raus mit Ihnen. Kommen Sie in vier Wochen wieder.«
    »Wenn Sie wieder einen anderen Schluß für Jesus und Pilatus oder Christus und Konstantin brauchen, oder für …«
    Bevor er sich entziehen konnte, schüttelte ich seine Hand:
    »Viel Glück.«
    »Ich glaube, er meint es auch noch im Ernst«, sagte Manny zur Zimmerdecke empor. »Teufel auch.«
    Er drehte sich um und setzte sich in den Sessel.
    »Na, wie fühlt man sich so?« fragte ich.
    »Nicht schlecht.« Er schloß die Augen und spürte, wie sein Körper ganz und gar in den Sessel sank. »Man könnte sich daran gewöhnen.«
    An der Tür schaute ich mich noch einmal um: er sah winzig aus in dem riesigen Sessel.
    »Hassen Sie mich immer noch?« fragte er mit geschlossenen Augen.
    »Klar«, sagte ich. »Sie mich auch?«
    »Aber sicher«, sagte er.
    Ich ging hinaus und machte die Tür hinter mir zu.
     

75
     
    Ich ließ den Wohnblock hinter mir und überquerte die Straße. Henry trippelte neben mir her, geleitet vom Geräusch meiner Schritte und seinem klappernden Koffer in meiner Hand.
    »Haben wir auch alles, Henry?« vergewisserte ich mich.
    »Mein ganzes Leben in einem Koffer? Klar.«
    Am gegenüberliegenden Straßenrand angekommen, drehten wir uns um. Jemand ließ irgendwo eine Ladung hochgehen. Die Hälfte des Blocks sackte, wie von einer Salve getroffen, in sich zusammen.
    »Hört sich an wie damals, als der Pier von Venice abgebrochen wurde«, sagte Henry.
    »Genau.«
    »Oder an dem Tag, als die Achterbahn entzweibrach.«
    »Genau.«
    »Oder an dem Tag, als sie die Schienen der großen, roten Straßenbahn herausgerissen haben.«
    »Genau.«
    Der Rest des Gebäudes stürzte ein.
    »Komm schon, Henry«, sagte ich. »Laß uns nach Hause gehen.«
    »Nach Hause«, sagte der blinde Henry und nickte freudig. »Ein Zuhause hatte ich nie. Hört sich nett an.«
     

76
     
    Ich hatte Crumley und Roy und Fritz und Maggie und Constance zu einem letzten Abschiedstrunk eingeladen, bevor Henrys Verwandte kamen und ihn nach New Orleans mitnahmen.
    Die Musik dröhnte, das Bier floß in Strömen, Henry gab zum vierzehntenmal die Entdeckung des leeren Grabes zum besten, und Constance knabberte halb betrunken und halb entkleidet an meinem Ohr, als die Tür meines bescheidenen Hauses aufgerissen wurde.
    Eine Stimme schrie: »Ich habe einen früheren Flug erwischt! Der Verkehr war furchtbar! Ach dort bist du! Ja, und Sie kenne ich, und Sie und Sie .«
    Peg stand in der Tür.
    »Aber wer«, rief sie und zeigte mit dem Finger auf Constance, »ist diese halbnackte Frau?«
     

Mehr aus und über Hollywood auf den folgenden Seiten
     













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