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Friedhof der Kuscheltiere

Friedhof der Kuscheltiere

Titel: Friedhof der Kuscheltiere
Autoren: Stephen King
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schwach krümmte.
    Eileen, die sich beruhigt hatte, begann wieder zu schreien. »Eine Biene! Eine Biene! Eine Biene!« Sie tat einen Satz zurück, stolperte über den gleichen Stein, an dem sie sich schon eine Schramme geholt hatte, landete auf ihrem Hinterteil und begann vor Schmerz, Überraschung und Angst zugleich erneut zu weinen.
    Ich glaube, ich werde verrückt, dachte Louis fassungslos.
    »So tu doch etwas, Louis! Kannst du denn nicht etwas tun?«
    »Der Stachel muß raus«, sagte eine Stimme hinter ihnen. »Das ist die Hauptsache. Den Stachel herausholen, und dann ein bißchen doppelt kohlensaures Natron drauf, damit die Schwellung zurückgeht.« Die Stimme sprach mit einem so dicken Ostküstenakzent, daß sich Louis' erschöpfter, verwirrter Verstand einen Augenblick lang weigerte, den Dialekt in eine verständliche Sprache zu übertragen.
    Er drehte sich um und sah einen alten Mann von vielleicht siebzig Jahren -- einen listigen, gesunden Siebziger -- auf dem Rasen stehen. Er trug eine Latzhose über einem karierten, blaugrundigen Baumwollhemd, das seinen faltigen, runzligen Hals freiließ. Sein Gesicht war sonnenverbrannt, und er rauchte eine filterlose Zigarette. Als Louis ihn ansah, drückte der alte Mann seine Zigarette zwischen Daumen und Zeigefinger aus und steckte sie in die Tasche. Er streckte die Hand aus und lächelte ein wenig schief -- ein Lächeln, das Louis auf Anhieb gefiel, obwohl er nicht der Mann war, der sich leicht zu jemandem hingezogen fühlte.
    »Aber ich will Ihnen nicht in Ihr Fach hineinreden, Doktor«, sagte er. Und so lernte Louis Judson Crandall kennen, den Mann, der sein Vater hätte sein können.
     

3
    Er hatte von der anderen Straßenseite aus ihre Ankunft beobachtet und war herübergekommen, um zu sehen, ob er ihnen helfen könnte; es schien, als »steckten sie ein bißchen in der Klemme«, wie er es ausdrückte.
    Während Louis den Kleinen an die Schulter drückte, trat Crandall heran, betrachtete die Schwellung am Hals des Kindes und streckte eine massige, verarbeitete Hand aus. Rachel öffnete den Mund, um zu protestieren -- die Hand sah entsetzlich ungeschickt aus und war fast so groß wie Gages Kopf --, aber noch bevor sie ein Wort sagen konnte, hatten die Finger des alten Mannes eine einzige, sichere Bewegung ausgeführt, so flink und geschickt wie die Finger eines Mannes, der ein Kartenkunststück vorführt oder mit einem Zaubertrick Münzen verschwinden läßt. Und der Stachel lag in seiner Hand.
    »Ein Prachtexemplar«, stellte er fest. »Kein Medaillengewinner, aber für eine Schleife dürfte es reichen.«
    Louis fing an zu lachen.
    Crandall musterte ihn mit seinem schiefen Lächeln und sagte: »Ist schon ein Ding, oder?«
    »Was hat er gesagt, Mommy?« fragte Eileen, und dann fing auch Rachel an zu lachen. Natürlich war das furchtbar unhöflich, aber irgendwie war es trotzdem in Ordnung. Crandall zog eine Schachtel Chesterfield Kings hervor, steckte eine in den zerfurchten Mundwinkel, nickte ihnen freundlich zu, während sie lachten -- sogar Gage gluckerte jetzt, trotz des Bienenstichs --, und riß ein Zündholz am Daumennagel an. Die Alten haben ihre Tricks, dachte Louis. Kleine Tricks, aber manche von ihnen sind gut.
    Er hörte auf zu lachen und streckte die Hand aus, die nicht das Hinterteil von Gage stützte -- ein ausgesprochen feuchtes Hinterteil. »Ich freue mich, Sie kennenzulernen, Mr....«
    »Jud Crandall«, sagte der Mann und ergriff die Hand. »Und Sie sind wohl der Doktor.«
    »Ja. Louis Creed. Das ist meine Frau Rachel, meine Tochter Ellie, und der Junge mit dem Bienenstich ist Gage.«
    »Nett, Sie alle kennenzulernen.«
    »Ich wollte nicht lachen... das heißt, wir alle wollten nicht lachen -- aber wir... wir sind alle ein bißchen müde.«
    Diese Worte -- die Untertreibung, die in ihnen lag -- ließen ihn wieder kichern. Er fühlte sich völlig erschöpft.
    Crandall nickte. »Kann ich verstehen.« Er wandte sich an Rachel. »Warum kommen Sie nicht mit Ihrer Tochter und dem Kleinen eine Minute zu uns herüber, Missus Creed? Wir können etwas Natron auf einen Waschlappen tun und das da kühlen. Meine Frau würde Ihnen auch gern guten Tag sagen. Sie kommt nicht mehr viel heraus. In den letzten zwei oder drei Jahren macht ihr ihre Arthritis zu schaffen.«
    Rachel warf einen Blick auf Louis, und der nickte.
    »Das wäre sehr freundlich von Ihnen, Mr. Crandall.«
    »Jud tut's auch«, sagte er.
    Plötzlich hörten sie lautes Hupen, ein Motor wurde
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