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Friedhof der Kuscheltiere

Friedhof der Kuscheltiere

Titel: Friedhof der Kuscheltiere
Autoren: Stephen King
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keineswegs die Absicht hatte. Das nächste wäre dann eine inoffizielle (und kostenlose) Diagnose: Normas Arthritis. Er mochte Crandall, mochte sein schiefes Lächeln, seine zwanglose Art zureden, seinen Ostküstenakzent, der nichts Hartes an sich hatte, sondern eher weich und schleppend war. Ein guter Mann, dachte Louis; aber Ärzte sind schnell mißtrauisch. Es war ein Jammer -- früher oder später verlangten selbst die besten Freunde nach ärztlichem Rat. Und bei alten Leuten gab es da kein Aufhören. »Aber Sie sollten nicht fest damit rechnen oder meinetwegen aufbleiben -- wir hatten einen höllischen Tag.«
    »Hauptsache, Sie wissen, daß Sie keine gedruckte Einladung brauchen«, sagte Crandall -- und in seinem schiefen Lächeln war etwas, das Louis das Gefühl vermittelte, Crandall wisse genau, was er dachte.
    Er beobachtete den Alten noch einen Augenblick, bevor er sich den Möbelpackern anschloß. Crandall ging aufrecht und mühelos, wie ein Mann von Sechzig, nicht wie einer, der über Achtzig war. Louis fühlte sich zum ersten Mal zu ihm hingezogen.

 5
    Um neun waren die Möbelpacker fort. Ellie und Gage, beide erschöpft, schliefen in ihren neuen Zimmern, Gage in seinem Kinderbett, Ellie auf einer Matratze auf dem Fußboden, umgeben von einem kleinen Gebirge aus Schachteln -- ihren Millionen von Wachsstiften, heil, durchgebrochen und stumpf; ihren Sesamstraße- Postern; ihren Bilderbüchern; ihren Kleidern und weiß der Himmel, was sonst noch. Und natürlich war Church bei ihr, gleichfalls schlafend, mit einem rostigen Grollen in der Kehle. Anscheinend war dieses rostige Grollen die einzige Art des Schnurrens, zu der der große Kater imstande war.
    Rachel war mit Gage auf dem Arm ruhelos durchs Haus gewandert, nur in den seltensten Fällen einverstanden mit den Orten, an denen Louis die Sachen von den Möbelpackern hatte abstellen lassen, und Anweisungen gebend, wie sie anders postiert oder aufgestapelt werden sollten. Louis hatte ihren Scheck schon ausgestellt; er steckte in seiner Jackentasche, zusammen mit den fünf Zehndollarnoten, die er als Trinkgeld beiseite gelegt hatte. Als der Möbelwagen endlich leer war, gab er ihnen den Scheck und das Trinkgeld, quittierte ihren Dank mit einem Nicken, unterschrieb die Empfangsbestätigung. Dann stand er auf der Veranda und sah zu, wie sie in ihren großen Möbelwagen zurückkehrten. Er vermutete, daß sie in Bangor eine Pause einlegen und den Staub mit ein paar Bier hinunterspülen würden. Bier wäre jetzt genau das Richtige. Und das brachte ihn wieder auf Jud Crandall.
    Er und Rachel saßen am Küchentisch, und er sah die Ringe unter ihren Augen. »Du«, sagte er, »gehst jetzt ins Bett.«
    »Auf ärztlichen Rat?« sagte sie, leicht lächelnd.
    »Jawohl.«
    »Okay«, sagte sie und stand auf. »Ich bin erledigt. Und wahrscheinlich wird sich Gage heute nacht melden. Kommst du mit?«
    Er zögerte. »Ich glaube nicht, jedenfalls jetzt noch nicht. Der alte Mann drüben auf der anderen Straßenseite -- er hat mich auf ein Bier eingeladen. Ich glaube, ich mache von der Einladung Gebrauch. Ich bin zwar auch müde, aber noch zu aufgekratzt, um schlafen zu können.«
    Rachel lächelte. »Es wird darauf hinauslaufen, daß du dir von Mrs. Crandall erzählen läßt, wo es wehtut und auf was für einer Matratze sie schläft.«
    Louis lachte. Es war merkwürdig -- beängstigend --, wie Frauen imstande waren, die Gedanken ihrer Männer zu lesen.
    »Er war da, als wir ihn brauchten«, sagte er. »Ich denke, da kann ich ihm auch einen Gefallen tun.«
    »Also ein Tauschhandel?«
    Er zuckte die Achseln, weil er nicht wußte, ob und wie er ihr sagen sollte, daß er auf Anhieb eine Zuneigung für Jud Crandall verspürt hatte. »Wie ist seine Frau?«
    »Ganz reizend«, sagte Rachel. »Gage saß auf ihrem Schoß. Ich war überrascht. Er hatte einen schweren Tag hinter sich, und du weißt ja, daß er selbst unter den günstigsten Umständen mit Fremden nicht auf Anhieb Freundschaft schließt. Und sie hatte ein Püppchen, mit dem sie Ellie spielen ließ.«
    »Was meinst du -- wie schlimm ist ihre Arthritis?«
    »Ziemlich schlimm.«
    »Rollstuhl?«
    »Nein -- aber sie geht sehr langsam, und ihre Finger...« Rachel hob ihre eigenen schlanken Finger und krümmte sie zu Klauen. Louis nickte.
    »Aber bleib nicht zu lange fort, Lou. Mir ist unbehaglich zumute in fremden Häusern.«
    »Es wird nicht lange fremd bleiben«, sagte Louis und küßte sie.

 6
    Als Louis zurückkam, fühlte
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