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Fremde Gäste

Fremde Gäste

Titel: Fremde Gäste
Autoren: Mary Scott
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geschnittenem
Haar wieder erschien. Der Colonel würde zwar nicht ganz einverstanden sein,
aber er würde bei seinem Anblick nicht erschrecken und gleich erklären, daß er
diesen Typ nicht brauchen könne. Im ganzen würde der anspruchsvolle alte Herr
sich mit David abfinden, besonders wenn der es verstand, unauffällig einen
gewissen Respekt zu bezeigen.
    Wir hatten beschlossen, daß er
sich nach dem Lunch dort vorstellen und, wenn alles gutging, gleich dort
bleiben solle. (Gott sei Dank im Küchengebäude und nicht bei dem Allmächtigen!)
Larry wohnt weiter unten im Tal, näher am Haus des Colonels; sie erbot sich,
David im Auto mitzunehmen. Ich war sehr froh, daß er das einigermaßen dankbar
annahm.
    »Sehr nett sehen Sie aus«,
sagte Larry neckend. »Und Susan ist sichtlich höchst erleichtert. Sie will doch
Ehre mit Ihnen einlegen. Das ist das Schwierige an den netten Frauen; Sie sind
von Verantwortungsgefühl gegen jedermann erfüllt. Sie werden gut mit Justin
auskommen, und der Colonel wird sich mit Ihnen abfinden.
    Zum Glück werden Sie ihn nur
selten sehen, denn jetzt betreibt Justin die Farm. Susan, ich gratuliere dir zu
deinem Findling !«
    Ich ärgerte mich ein wenig, und
das hatte sie wohl auch beabsichtigt. David behagte es auch nicht, er wollte
nicht bemuttert werden, und schon gar nicht von einer Frau, die er zufällig auf
der Landstraße getroffen hatte. Aus diesem Grund bot ich ihm auch nicht, wie
ich beabsichtigt hatte, an, das Wochenende bei uns zu verbringen, wenn auf der
Farm des Colonels nichts zu tun war. Ich wollte es ihm selbst überlassen und
keinen Druck ausüben, nur weil ich ihn im Regen aufgelesen hatte. Ich war fest
davon überzeugt, daß er das neue Leben lieben und sich ohne weiteres den drei
Männern anschließen würde, die dort angestellt waren. Alles würde ganz anders
sein als das Leben und die Menschen, die er kannte und deren er überdrüssig
war. Das Leben auf einer so großen Farm würde ihn interessieren.
    Nach dem Lunch brach er mit
Larry auf. Ich hörte noch, wie sie sagte: »Denken Sie daran, daß der Colonel
eine höchst wichtige Persönlichkeit ist. Nehmen Sie sich keinerlei Freiheiten
heraus !« Ich meinerseits gab ihm keine Ratschläge; ich
hielt ihn für klug genug, daß er unserem »Großen Mann« den nötigen Respekt
erweisen würde, ohne seine eigene Unabhängigkeit zu gefährden. Zu meiner
Überraschung bedankte er sich sehr höflich und beinah formell, daß ich ihn in
unserem Haus aufgenommen und ihm einen Job verschafft hatte.
    »Es war nett von Ihnen, daß Sie
mir geholfen haben, sogar als Sie feststellten, daß ich kein Mädchen bin .«
    »Heute würde ich diesen Fehler
nicht machen. Sie sehen so aus, wie es sich gehört. Ihren Haaren brauchen Sie
nicht nachzutrauern. Sie waren vielleicht modern, aber doch ziemlich läppisch .«
    Er grinste. »Sie halten mich
natürlich für einen Außenseiter«, sagte er, doch ich unterbrach ihn energisch.
»Nein, auf keinen Fall! Die Leute, die uns altmodisch nennen und sich selbst
für etwas Besonderes halten, kann ich nicht ausstehen. Ihnen ist wohl noch
nicht klar, daß die Langhaarigen heutzutage zu den Konventionellen gehören.
Wirklich originell sind jetzt die, die für kurzes Haar und Bartlosigkeit
eintreten .«
    Damit wollte ich ihn trösten,
aber er lachte nur und meinte: »Das ist ein witziger Einfall; es sollte mich
aber nicht wundern, wenn Sie recht haben. Ein Mann wie Ihr Gatte sieht wirklich
origineller aus als einer wie ich. Es war mir noch nicht aufgegangen, daß es
mein Schicksal ist, im Grunde zu den Normalen zu gehören .«
    Dann startete Larry den Wagen,
und David winkte freundlich zurück. Beim Haus des Colonel Gerard würde er meine Existenz vermutlich schon vergessen haben.
    Ich aber vergaß ihn nicht so
schnell. Einerseits besaß er eine gewisse unbekümmerte Liebenswürdigkeit, die
jede Frau anspricht; andererseits war er der erste progressive Intellektuelle,
der mir begegnete. Er gefiel mir, und ich wunderte mich über die seltsame Unruhe,
die einen jungen Mann mit aussichtsreicher Zukunft nach bestandenem Examen
veranlaßte, sich jeden Gedanken an einen Beruf aus dem Sinn zu schlagen und den
»Bummel um die Welt« zu wählen, bis er davon genug hatte. Ich war so
altmodisch, daß ich das bedauerte; ich fand, David sei vom Leben so begünstigt
durch eine glückliche Kindheit und eine gute Ausbildung auf Kosten des Staates;
er sollte nun auch bereit sein, dafür etwas zu leisten.
    Als ich zu
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