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Fremde Gäste

Fremde Gäste

Titel: Fremde Gäste
Autoren: Mary Scott
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wachsen ließ? Sie sind wirklich
unbarmherzig, Mrs. Russell! Was ist denn so Schlimmes
daran ?«
    »An den Haaren ist nichts
Schlimmes; aber in den Augen so ungebildeter Wilder wie wir passen sie nicht
für einen Mann, der ernsthaft Arbeit sucht .«
    Schließlich rang ich ihm die
Zusage ab, daß er es sich noch einmal überlegen wolle, »wenn die Moneten und
alles übrige « stimmten.
    »Sehen Sie aber zu, daß er mich
samt meinen langen Haaren nimmt !« Das war sein letztes
Wort.
    Es war nicht einfach. Anfangs
war der Colonel begeistert von dem Gedanken, einen Helfer zu bekommen, und gar
noch den Sohn eines Arztes! Der gute Mann ist nicht gerade ein Snob, aber er
hat nach seiner eigenen Meinung »ein Gefühl für Werte«. Dann kam die peinliche
Frage: »Wie kommen Sie eigentlich an diesen vielversprechenden jungen Mann,
Susan? Kennt Ihre Mutter die Familie ?«
    Der Colonel hat eine hohe
Meinung von meiner Mutter; sie ist seit langem mit ihm befreundet. Ich
wünschte, ich hätte seine Frage bejahen können, aber es schien doch besser,
jetzt mit der Wahrheit herauszurücken.
    »Sie wissen ja, daß wir alle
fest entschlossen waren, niemals einen Anhalter mitzunehmen«, begann ich.
Stockend fuhr ich fort: »Es regnete, und ich hielt ihn für ein Mädchen, bis er
sich umwandte. Lieber Colonel, er hat nämlich lange Haare, das ist der Kummer,
und ich hatte Angst, Sie würden ihn deswegen nicht einstellen. Aber er ist
wirklich ein netter Mensch. Heutzutage haben sie ja alle lange Haare«, schloß
ich etwas kleinlaut.
    Niemand kann dem Colonel Mangel
an Humor vorwerfen. Er lachte über meinen Reinfall und meinte, es sei ein
Glück, daß ich wenigstens einen anständigen Kerl erwischt hätte. Doch dann ging
ihm der Grund meines Irrtums auf. Er starrte mich an und fragte: »Wie ist das mit den Haaren? Ich kenne solche albernen Schnösel, die wie Mädchen
aussehen und sich auf die Länge ihrer Locken noch etwas einbilden. Sie wollen
doch nicht behaupten, daß ein Bursche, der Arbeit sucht, ein Student, der Sohn
eines angesehenen Arztes — Sie wollen doch nicht sagen, Susan, daß so einer
wirklich lange Haare hat?«
    Doch ich mußte diese
betrübliche Tatsache zugeben. Der Colonel schnaufte ablehnend. »So einen schwächlichen
Jüngling will ich hier nicht haben !« begann er in
höchst großfürstlichem Ton. »Ich verlange, daß ein Mann wie ein Mann aussieht.
Dieses weibische Getue kann ich nicht ausstehen .«
    »Aber sind denn lange Haare
unbedingt weibisch ?« Wie schon so oft verwies ich auf
die Herren zu Zeiten Maria Stuarts. Doch mein alter Freund meinte, daß sei
etwas völlig anderes. Er wünsche nur, daß einige dieser Jungen vom selben Geist
beseelt wären wie jene tapferen Männer.
    »Vielleicht sind sie das«,
wandte ich ein. »Sie hatten bisher nur keine Gelegenheit, es zu beweisen .«
    Nicht ganz zu Unrecht bedeutete
der Colonel, daß ihre Tapferkeit sich meist im Diebstahl von Automobilen und im
Einbruch in Milchbars erschöpfe. Ich beharrte jedoch auf meinem Standpunkt.
»David Hepburn ist bestimmt nicht feminin. Er ist ein ganz normaler junger Mann
und kann bei der Heuernte und in den Ställen harte Arbeit leisten. Lieber
Colonel, Sie wissen ja selbst, daß Sie gerade jetzt eine zusätzliche
Arbeitskraft brauchen«, versuchte ich ihn zu überreden. »Warum sollten Sie
David nicht eine Chance geben? Wenn es Ihnen lieber ist, kann er ja bei uns
wohnen bleiben .«
    Nun gab er natürlich doch nach,
lehnte es aber kategorisch ab, uns mit seinem neuen Farmhelfer zu belästigen.
Der werde bei gutem Lohn auf einen Monat eingestellt und könne mit den drei
anderen Arbeitern im Küchengebäude wohnen; dort werde das Essen für sie von der
Frau des Traktorfahrers zubereitet. »Ich hoffe, daß der junge Mann nicht etwa
beleidigt ist, wenn er mit Arbeitern gemeinsam zu Tisch gehen soll. Bildet er
sich vielleicht auf sein Examen etwas ein ?«
    Ich versicherte, daß David sich
sehr gern den anderen Männern anschließen würde. Das sei ihm vermutlich sogar
lieber. Ich erklärte mich bereit, ihn zu überreden, seine Haarpracht zu kürzen,
damit seine Locken ihm bei der Arbeit nicht im Wege seien und im Umgang mit den
Maschinen nicht gefährlich werden könnten. Dann tranken wir einen guten Kaffee
miteinander, und ich bekam die letzten Neuigkeiten zu hören. Zum Schluß dankte
ich dem Colonel, weil er es mit meinem Findling versuchen wollte, und fuhr
heim, um mit David den Kampf um seine Haare aufzunehmen. Es wurde ein
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